Schokoherz
aus und duftete dezent nach Vetiver – ganz der Hausherr. Die Kinder waren im Bett, unser Zuhause sah wundervoll aus, und ich ebenfalls. Ich trug ein bordeauxfarbenes Hemdblusenkleid aus Seide von Max Mara (ehrlich gesagt war es von Marina Rinaldi, der Kollektion für kräftige Damen, aber das bleibt unter uns!), an dem ich eine strategische Anzahl von Knöpfen offen gelassen hatte. Irgendwie sah ich immer ein bisschen zu üppig aus, aber an diesem Abend wenigstens an den richtigen Stellen. Meine Brüste drohten aus dem heißen Balkonette-BH zu purzeln, sooft ich mich vorbeugte, um meine Gäste zu bedienen.
Ich hatte alles durchgeplant. Wir würden im Wohnzimmer einen Aperitif nehmen. Dazu gab es in hübschen Schälchen Mandeln und Cashewkerne, die ich nocheinen Augenblick zuvor mit etwas Knoblauch und Rosmarin angeröstet hatte. Einfach köstlich! Dann würden wir uns zu einer kleinen Vorspeise aus in japanischem Reisessig mariniertem Lachs an den Tisch setzen. Hmm! Ich will ja nicht angeben, aber bei solchen Sachen bin ich kaum zu schlagen. Ich bin keine Überfrau, auch ich kenne Stress in der Küche, wie zum Beispiel eben, als ich fünf Möhren aus fünf Plastiktüten schälen musste. Aber grundsätzlich liebe ich Dinnerpartys. Es gibt nichts Schöneres, als gute Freunde zu Hause willkommen zu heißen.
Apropos Freunde, da hörte ich auch schon die Türklingel. Die Leise-die-Kinder-schlafen-Stille wurde abrupt gestört, weil alle gleichzeitig kamen, unter dem üblichen Gejammer über die entsetzliche Parkplatzsituation und den Alptraum, London durchqueren zu müssen. Glücklicherweise schliefen meine Kinder wie Murmeltiere, wenn sie endlich das Bewusstsein verloren hatten. Innerhalb von Sekunden waren die Knabbersachen weggefuttert – und zwar ohne meine Mitwirkung, denn ich war damit beschäftigt, Gläser zu füllen und Mäntel entgegenzunehmen. Anschließend strömten wir alle ins Esszimmer, wo ich unter den bewundernden Ausrufen, mit denen mein von Kerzen beleuchtetes Mahl gewürdigt wurde, vor Stolz anschwoll – mit verheerenden Folgen für meinen Balkonette-BH. Als wir alle Platz genommen hatten, gab es einen dieser Momente, in denen man instinktiv anstößt, weil alle einfach rundum glücklich sind. Ich blickte in die um den Tisch versammelten Gesichter. Meine wundervollen Freunde.
Da war zunächst einmal Jo Pounce, eine erstklassige Anwältin. Jo stand kurz davor, in ihrer Kanzlei endlich Partnerinzu werden, nachdem sie jahrelang in den Steinbrüchen des Steuerrechts geschuftet hatte. Obwohl sie einen anstrengenden Beruf hatte, sah sie immer aus wie eine Frau mit zu viel Freizeit. Ihr honigblondes Haar war stets frisch geglättet, ihre stachelbeergrünen Augen leuchteten wachsam, und an ihrem Körper, der nie ein Kind geboren hatte, war kein Gramm Fett.
Die gute Jo hielt mich immer auf dem Laufenden über das neueste angesagte Workout, dem sich gerade alle außer mir widmeten. Sie hatte »sanfte« Sportarten wie Karate und Kickboxen längst hinter sich gelassen und betrieb jetzt eine Art von Kampfsport, bei der sich sogar Bruce Lee wegen Kopfschmerzen entschuldigen würde. Das Traurige war nur, dass sie es jedes Mal wieder schaffte, mich von ihrem neuesten Tick zu überzeugen, und ich hasste diese Sportarten immer, absolut immer. Dieses Mal aber war ich wild entschlossen, ihr einen Korb zu geben, sollte sie mich überreden wollen, mich mit ihr für die chinesische Wasserfolter anzumelden, oder was auch immer der Trend des Jahres war. Wir hatten eigentlich keine Gemeinsamkeiten, abgesehen davon, dass wir beide menschliche Wesen weiblichen Geschlechts waren und uns mochten. Und wir mochten uns, obwohl sie mit Tom früher einmal, na ja ... Eigentlich war es nicht einmal ein Abenteuer gewesen. Ein Intermezzo trifft es wohl eher. Laut Penny, die eine Hälfte des anderen Paares am Tisch bildete, handelte es sich um eine einzige Nacht vor ungefähr zwanzig Jahren. Alkohol hatte dabei auf beiden Seiten eine entscheidende Rolle gespielt. Penny versorgte mich mit Statistiken zu Toms beeindruckender Liste an Exfreundinnen. Sie war so nett, mir immer zu versi chern,dass er es mit keiner vor mir ernst gemeint hätte. Aber ein bisschen beunruhigte es mich doch, dass Jo zu den Verflossenen gehörte, neben einer ganzen Schar von Anwältinnen, Ärztinnen, Immobilienmaklerinnen, Zahnärztinnen und – Penny hatte da etwas angedeutet – sogar einem Mitglied des Parlaments. Tom hatte sich immer geweigert, darüber zu
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