Schokoherz
mehr. Ich liebte es zu kochen, und das sah man meiner Küche auch an. Sie war das Herzstück unseres Hauses und bot von der Designerbrotdose bis hin zu Gläsern mit getrockneten Kräutern von Jamie Oliver alles, was das Herz begehrt. Zusätzlich gab es die keimfreie, gefriergetrocknete, sterilisierte Supermarktversion dieser Kräuter, die ich auch wirklich benutzte und in einer Schublade versteckte. An der Decke war eine dieser Stangen befestigt, an der Pfannen und andere interessante Gerätschaften an Fleischerhaken baumelten. Tom mochte die Konstruktion überhaupt nicht, weil er sich an meinem Puddingtöpfchen mit dem fantastischen Kupferboden immer den Kopf anschlug. Das Licht war warm und gedämpft, was vor allem daran lag, dass ich bei meinem letzten Einkauf im Waitrose-Supermarkt die falsche Wattzahl erwischt hatte. Aber die Küche sah wirklich wunderschön aus.
Bald brutzelten die Pilze vor sich hin, während ich die Steaks in einer anderen Pfanne scharf anbriet. Knoblauchduft hüllte uns ein. Das gemeinsame Essen am Freitagabend – darauf freute ich mich immer die ganze Woche. Ich warf eine Handvoll Besteck auf den Tisch und gab Tom ein Zeichen, er möge bitte den Tisch decken. Aber inzwischen war er völlig in sein Telefongespräch vertieft. Er ignorierte mich einfach, während er seine ganze Überzeugungskraft einsetzte, um Jenny herumzukriegen. Ich musste lächeln; wenigstens widmete er sich seinemJob. Rasch schob ich Messer und Gabeln an ihren Platz und servierte die gefüllten Teller. Tom palaverte immer noch mit ernster Miene über Wirtschaftskrisen, Zinssätze und anderes langweiliges Zeug. Ich prostete ihm mit meinem Wein zu und machte mich über meine Portion her. Köstlich!
Als Tom endlich sein Telefonat beendete, hatte ich bereits abgespült, aufgeräumt und war dabei, meinen Nachtisch ins Wohnzimmer zu tragen, um ihn dort vor dem Fernseher zu genießen. Auf dem Weg zur Arbeit hatte ich vor ein paar Tagen ganz selbstlos eine entzückende kleine Schachtel mit Trüffelpralinen von ihrem tristen Dasein in der Lebensmittelabteilung bei Selfridges erlöst. Tom stürmte herein, als ich es mir gerade auf dem bordeauxfarbenen Sofa bequem gemacht und die Füße auf dem großen gepolsterten Hocker ausgestreckt hatte, den ich in einer passenden Farbe mit einem kleinen Muster hatte beziehen lassen. Entspannt zappte ich durch die Programme.
»Kein guter Tag?«, fragte ich mitleidig, als er sich an den marmornen Kamin lehnte – einer der Gründe, warum wir das Haus unbedingt hatten haben wollen. Jetzt, wo wir einen prunkvollen goldgerahmten Spiegel darüber platziert hatten, war er zum Mittelpunkt des Raumes geworden. Ich hatte massenweise originelle Kerzenständer und selbstverständlich auch Bilder der Kinder in sämtlichen Entwicklungsstadien vom Embryo aufwärts in Silber gerahmt dort aufgestellt. Auf dem Kaminrost lagen Kiefernzapfen und Buchenblätter, Mitbringsel von unserem letzten Spaziergang in der Umgebung meines Elternhauses. Leider funktionierte der Abzug nicht. Das gehörtauch zu den Dingen, die ich immer erledigen will und nie schaffe, dachte ich schuldbewusst, während Tom seine Krawatte löste. Da erst bemerkte ich, dass er die ganze Zeit mit mir geredet und ich kein Wort davon mitbekommen hatte.
Ich rutschte auf dem gepolsterten Sofa zur Seite und schob ein paar Samtkissen weg, um für ihn Platz zu machen. Sogar die Hälfte des Hockers machte ich für ihn frei. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mit einem Auge immer noch auf den Fernseher schicke. Aber nur mit einem Auge.
»Scheißtag. Es ist wirklich schön, zu Hause zu sein. Raus aus diesem Irrenhaus«, murmelte er und ließ sich direkt auf meine Pralinenschachtel plumpsen. Hektisch schoss er in die Höhe, griff hinter sich, schnappte sich die ramponierte Schachtel und schleuderte sie zu mir herüber. »Ich dachte, du wolltest das reduzieren, Bella!«, schnauzte er mich an.
»Das tu ich doch auch«, erwiderte ich fröhlich und suchte mir noch ein Trüffelstückchen aus. Ich wusste, dass Tom meine enge Beziehung zu Schokolade nicht befürwortete, aber normalerweise beschwerte er sich nur darüber, wenn er aus anderen Gründen schlechte Laune hatte. Solange es mir gelang, ihn abzulenken, ließ er mich gewähren. »Weswegen bist du so geladen?«, fragte ich ihn. Das kannte ich schon: Tom war der charmanteste Mann der Welt – wenn er wollte. Aber mies gelaunt konnte er ekelhaft sein. Das ist eben die Kehrseite von Charme. Außerdem
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