Schokoherz
ehemaligen Schulkameraden, die es zwar nie in den Kreis der Auserwählten geschafft hatten, der jetzt um unseren Tisch saß, die aber immer wieder bei Kneipenabenden oder Geschäftsessen aufkreuzten.
»Ichhab neulich Geoff Breen im Unterhaus getroffen. Erinnerst du dich?«, sagte Tom zu John.
»Dieser dürre Streber?«
»Genau. Der sitzt jetzt im Parlament. Macht anscheinend groß Karriere.«
»Um Himmels willen. Doch nicht der!«, stöhnte Charlie. »Da fällt mir ein, ich hab vor kurzem Alex Heffering in der City gesehen. Der war ein Jahr unter uns.«
»Den haben wir doch an Weihnachten getroffen, oder?« Ich sah Tom fragend an. Für mich verschwammen all diese Schulkameraden zu einem einzigen nicht mehr ganz jungen Mann im Anzug. Tom nickte.
»Wirklich?«, meldete sich Penny zu Wort. »Wie geht es denn Angelica und den Jungs?« Angelica hatte durch künstliche Befruchtung Zwillinge bekommen, was die Krankenschwester in Penny interessierte. Außerdem hatte Angelica eine außerordentlich steile Karriere im Steuerrecht hingelegt, weswegen wiederum Jo die Ohren spitzte. Charlie schien irgendwie unbehaglich zumute zu sein. Ich musterte ihn aufmerksam. Mein journalistischer Instinkt verriet mir sogleich, dass da etwas im Busch war.
»Schieß schon los, Charlie!«, stachelte ich ihn an.
»Hm, ist ein bisschen heikel. Er hat Angie wohl verlassen. «
»Nein!«, riefen wir alle wie im Chor.
»Wer ist die Neue?«, fragte ich geradeheraus.
»Wie kommst du darauf, dass es eine Neue gibt?«, fragte Tom.
»Also bitte, stell dich doch nicht so an. Selbstverständlich hat er eine andere. Männer gehen doch nicht freiwillig in die Wüste, oder? Sie seilen sich ab, um mit einer neuen Frau zusammenzuleben.«
»Nagut, in diesem Fall hast du recht. Da gibt es wirklich jemanden«, gab Charlie zu.
»Aber nicht die Sekretärin?!«, rief ich entsetzt.
Charlie sah mich verunsichert an. »Also, er hat was von seiner persönlichen Assistentin gesagt ...« Er brach ab, als die Frauen kollektiv aufstöhnten.
»Die Sekretärin!«, wiederholte Jo.
»Wie alt ist die gleich noch mal? Zwanzig?«, hakte ich nach, damit sich Charlie noch ein bisschen unbehaglicher fühlte.
»Dreiundzwanzig«, gab er zu. Inzwischen sah er so beschämt aus, als hätte er gerade seinen eigenen Ehebruch gestanden. John wirkte genauso betreten.
Plötzlich ergriff Tom das Wort. »So was passiert eben. Ich weiß gar nicht, warum ihr alle so tut. Wahrscheinlich ist es sowieso das Beste.«
»Was?« Ich starrte ihn fassungslos über den Tisch hinweg an. »Und was ist mit Angelica? Und den Kindern?«
»Ich will es ja nicht schönreden. Ich meine nur, dass es sich manchmal eben nicht vermeiden lässt. Er hatte wohl die Nase voll. Sie hat ihn einfach nicht glücklich gemacht. Ich habe gehört, sie sei kaum zu Hause gewesen. Rannte wohl immer irgendwelchen Fällen hinterher, während die Jungs daheim Amok liefen. Außerdem sah sie aus wie eine Tonne, als ich sie das letzte Mal traf.«
Ich erstarrte. Ich wusste, dass Tom mich nicht verletzen wollte, aber es gab doch genügend Tage, an denen selbst ich mit meinem robusten Selbstbewusstsein mich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass ich ein paar Pfund zu viel auf die Waage brachte. Kein echtes Problem.Ich wusste ja, dass Tom mich liebte, aber trotzdem. Jede Anspielung auf meine Leibesfülle machte mich einfach nervös. Und es schien für ihn immerhin der entscheidende Auslöser dafür zu sein, dass ein Mann seine Familie verließ. Aber Tom sah mich gar nicht an, er wandte sich an die anderen Männer: »Was hätte er denn tun sollen? Die Zähne zusammenbeißen? Sich einfach zurücklehnen und in der Fülle schwelgen?«, fragte er lachend.
»Aber Tom, was ist mit den Kindern?«, hakte Penny nach.
»Was soll schon mit ihnen sein? Er ist ja immer noch ihr Vater. Sie werden ihn wahrscheinlich nach wie vor sehen. Und stellt euch doch das mal vor, auch noch Zwillinge!«
An Tom gewandt platzte ich heraus: »Du findest also unsere zwei schon schlimm genug? Anscheinend kannst du es dir kaum schrecklicher vorstellen, und Zwillinge müssen demzufolge der Supergau sein?« Meine Stimme war eisig geworden, ganz untypisch für mich. Alle verstummten und starrten verlegen auf den Tisch. Ich warf Messer und Gabel hin. Tja, ich hab's ja gesagt, wenn er schlecht drauf war, dann war er wirklich schlimm. Schon die Bemerkung über Angelicas Gewicht war total gemein. Und jetzt auch noch das! »Vielen Dank, dass du so zu unserer
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