Schokolade für dich (German Edition)
steckte. Dann konnten sie es schnell vergessen.
Sie wandte ihm den Rücken zu und sagte zu Charley: „Lass uns gehen. Ich habe noch einiges zu tun.“ Zum Beispiel eine Firma retten.
8. KAPITEL
Wenn du deine Familie nicht im Griff hast, wie willst du dann eine Firma im Griff haben?
Muriel Sterling, Der unschätzbare Wert der Familie
E s war gegen zwei Uhr nachmittags, und für heute hatte Muriel genug getan. Sie hatte sich angezogen. Jetzt saß sie auf der Couch und schaute sich eines ihrer Fotoalben an. Das schnurlose Telefon, das vor ihr auf dem Tisch lag und langsam Saft verlor, klingelte, und sie hob es hoch. Auf dem Display erschien der Name ihrer Ältesten.
Nicht jetzt, entschied sie und legte das Telefon wieder weg. Sie liebte ihre Tochter, aber manchmal erschöpfte Samantha sie einfach nur.
Das war nichts Neues. Schon während ihrer Schwangerschaft hatte sie ihre Mutter die halbe Nacht lang mit ihren akrobatischen Übungen im Bauch wach gehalten, und seit sie das Licht der Welt erblickt hatte, war es mit ihr nicht einfacher geworden. Für das Wort Nein hatte Samantha nie viel übrig gehabt. Beim Spendensammeln in der Schule hatte sie das immer zu einer der Erfolgreichsten gemacht. Sie großzuziehen war aber eine große Herausforderung gewesen. Egal ob es ums Taschengeld, um Modestile oder Ausgehzeiten gegangen war: Sie hatte immer getestet, wie weit sie gehen konnte. Als dann die beiden anderen so weit waren, hatte Muriel ihre strenge Erziehung aufgegeben und war deutlich nachsichtiger geworden.
„Ich durfte nie so lange ausgehen“, hatte Samantha sich beschwert, als Bailey erst nach Mitternacht nach Hause gekommen war. „Und ihr erlaubst du, nach dem Abschlussball die ganze Nacht wegzubleiben?“
Der Frust über die Entscheidungen ihrer Mutter hatte sich aber nicht auf so nichtige Dinge beschränkt. „Mom, du kannst Waldo nicht die Leitung der Firma übertragen. Er ist ein netter Mann, und ich weiß, dass er sich gern einbringen möchte. Aber er versteht nicht, wie wir die Dinge handhaben.“
„Er ist Geschäftsmann“, beharrte Muriel. „Und er wird neue Ideen einbringen.“
Der Streit über diese Entscheidung hatte die Beziehung zu ihrer Erstgeborenen auf einen neuen Tiefpunkt befördert. Und bisher hatte sie noch keine Wiedergutmachung für diese Fehlentscheidung leisten können. Also hatte sie sich geschworen, dass sie ihre Tochter in dem, was sie für sinnvoll hielt, unterstützen würde. Aber dieses Festival auf die Beine zu stellen erschien ihr vollkommen unmöglich. Allein darüber nachzudenken erschöpfte sie schon. Das Letzte, was sie heute tun wollte, war, darüber zu reden.
Mit einem Stirnrunzeln konzentrierte Muriel sich wieder auf die Fotos von ihrer Hochzeitsreise mit Waldo. Sie waren auf Kreuzfahrt gegangen und standen an der Reling, während im Hintergrund das türkisfarbene Wasser der Karibik schimmerte. Sie lächelten, wie ein Paar, das noch viele gute Jahre vor sich hatte. Muriel seufzte und schlug die Seite um. Auf dem nächsten Foto saßen sie am Tisch des Kapitäns, Muriel in einem Abendkleid, Waldo in seinem Smoking. Sie hätten einfach weiter auf Reisen gehen und Samantha die Firma leiten lassen sollen.
Sie blätterte das Album durch. Als sie die Schnappschüsse ihres kurzen gemeinsamen Lebens betrachtete, kämpfte sie gegen die Tränen an: ein Picknick an den Lost Bride Wasserfällen, ein köstliches Abendessen im Space Needle in Seattle, vor dem Tannenbaum am letzten Weihnachtsfest. Sie sah sich an, wie tapfer Waldo dreingeschaut hatte, und merkte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. Da hatten sie seit ungefähr einem Monat über seinen Zustand Bescheid gewusst, es den Mädchen aber noch nicht erzählt. Die Weihnachtszeit schien ihnen nicht der richtige Zeitpunkt zu sein. Jetzt bestand keine Veranlassung mehr, etwas zu sagen, vor allem nicht Samantha gegenüber. Sie würde nur ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie so wütend auf Waldo gewesen war.
Samantha. Mit einem kleinen Seufzer griff Muriel nach dem Telefon, um die Nachricht abzuhören.
Ihre Tochter klang energiegeladen. „Gute Neuigkeiten, Mom.Die Handelskammer steht hinter uns. Unser Schokoladenfestival kann steigen. Es sieht so aus, als würdest du in den nächsten Wochen eine Menge zu tun haben.“
Viel zu tun, und dann noch eine Tochter, die wieder zu Hause wohnte.
Natürlich freute sie sich, dass Cecily zurückkam – sie würde ein Trost sein. Aber sie würde auch … hier sein.
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