Schokolade für dich (German Edition)
dass sie für immer allein bleiben würde. Sie war erst Anfang fünfzig gewesen, als Dad gestorben war, und sie war kein Mensch, der gut allein zurechtkam.
Als Waldo aufgetaucht war, hatte sie wieder Spaß am Leben gehabt, und Samantha hatte sich für sie gefreut. Er war lustig und charmant gewesen, und sie und ihre Schwestern hatten begeistert den Daumen gehoben. Was sprach dagegen? Mit ihm hatte Mom wieder Lachen gelernt. Anfangs verstanden sich alle wunderbar. Waldo war Hobbyfotograf gewesen, genauso wie Samantha, und sie hatten sich gern darüber ausgetauscht. Wann immer sie zu Hause vorbeigekommen war, um mit Mom übers Geschäft zu reden (oder es zumindest zu versuchen), hatte sie sofort gefragt: „Wo ist Waldo?“ Es war zu einer Art Running Gag geworden.
Aber nachdem Mom Waldo wie eine Bombe auf die Firma hatte fallen lassen, brauchte Samantha nicht länger zu fragen. Sie wusste, wo Waldo war: Er war im Büro, versunken in seine Arbeit, und trieb Samantha in den Wahnsinn.
Sie knirschte fast mit den Zähnen, als sie kurz überschlug, wie viel Geld er verschleudert hatte: die neuen Visitenkarten mit seinem Namen darauf, das neue Briefpapier, neue Ausstattung, die sie nicht gebraucht hatten, eine neumodische Telefonanlage, die sie sich nicht leisten konnten und die sich Waldo von einem ausgebufften Vertreter hatte andrehen lassen. Wie konnte ein Geschäftsmann so schlecht darin sein, Geschäfte zu machen?Natürlich hatte er sowohl sich als auch Mom davon überzeugt, dass all diese Anschaffungen absolut notwendig waren, und Samantha hatte leider nicht genügend Macht, um ein Veto einzulegen und ihn aufzuhalten.
Doch das war nur der Anfang gewesen. Vor sechs Monaten waren ihre Gewinne drastisch eingebrochen, und sie hatten Schwierigkeiten gehabt, ihre Zulieferer zu bezahlen. Daraufhin hatte Waldo die Produktion zurückgefahren, was zwangsläufig dazu geführt hatte, dass sie ihre Aufträge nicht mehr vollständig hatten ausführen können. Und Lizzy, die Buchhalterin, hatte angefangen auszusehen, als wäre sie zum Essen mit dem Sensenmann verabredet. „Wir sind schon mit den vierteljährlichen Steuervorauszahlungen im Verzug“, hatte sie Samantha berichtet. „Aber das ist noch nicht alles.“ Sie hatte Samantha Ausgaben auf den Auszügen des Geschäftskontos gezeigt, die keinen Sinn ergaben. Eine Waffe. Munition. Kistenweise Mineralwasser, genug, um die ganze Stadt vor dem Verdursten zu bewahren. Waldo glich einem Heuschreckenschwarm, der die gesamte Firma verschlang.
Wo ist Waldo? Fleißig damit beschäftigt, die Firma und damit sie alle den Bach runtergehen zu lassen. Und tschüss! Am liebsten hätte Samantha ihn mit hinuntertreiben sehen, am besten direkt auf einen Wasserfall zu und …
„Und ich glaube, wenn Waldo jetzt zu uns sprechen könnte, würde er sagen: ‚Ich danke Gott für ein gutes Leben‘“, sagte Pastor Jim.
Ihre Mutter schluchzte laut auf, und Samantha bekam ein schlechtes Gewissen. Sie sollte auch weinen, schließlich hatte sie Waldo gemocht. Er hatte ein großes Herz besessen und viel Freude am Leben gehabt.
„Wir wissen, dass ihn alle schmerzlich vermissen werden“, sagte Pastor Jim weiter. Cecily legte tröstend eine Hand auf Moms Arm, woraufhin diese erst richtig zu weinen begann.
„Arme Mom“, flüsterte Bailey, die auf der anderen Seite neben Samantha saß. „Erst Dad und jetzt Waldo.“
Zwei Ehemänner zu verlieren – das nannte man wohl einendoppelten Schicksalsschlag. Mom hatte nicht nur ihre beiden Männer geliebt, sondern sie war auch gern verheiratet gewesen. Sie war keine Geschäftsfrau (was vermutlich erklärte, warum Grandpa vollkommen glücklich und zufrieden damit gewesen war, Dad die Leitung von Sweet Dreams zu übertragen), aber sie besaß ein Händchen für Beziehungen. Sie hatte sogar schon ein paar Beziehungsratgeber in einem kleinen Verlag veröffentlicht, und bevor Waldo starb, hatte sie gerade ein neues Buch anfangen wollen: Geheimnisse einer glücklichen Wiederheirat .
Samantha hoffte, dass Mom jetzt ihre Aufmerksamkeit lieber darauf richtete, zu lernen, wie man ein glückliches Leben führte, ohne verheiratet zu sein. Jedenfalls sollte sie bitte, bitte nicht wieder heiraten, ehe sie nicht die Firma vor Schlimmerem bewahrt hatten und Samantha offiziell die Leitung übertragen worden war.
Je schneller, desto besser. Ihr erster Tagesordnungspunkt würde sein, Lizzy wieder einzustellen, die Waldo in einem missglückten Anflug von Sparwillen
Weitere Kostenlose Bücher