Schon in der ersten Nacht
Ich habe das Gefühl, du bestrafst dich gern selbst."
"Na ja, irgendwie stimmt das wirklich", gab sie nachdenklich zu.
Bin ich vielleicht insgeheim davon überzeugt, ich verdiente nicht, glücklich zu sein? überlegte sie irritiert.
Unvermittelt sprang Sam auf, denn Marilyn und ihr Mann kamen zurück. "Ist etwas passiert?" Er wurde blass, und die Angst, die ihn seit Tagen begleitete, spiegelte sich in seinem Gesicht.
"Nein, nein", beruhigte Murray ihn. "Ben will dich sehen."
"Ich möchte mich nicht aufdrängen." Sam wirkte wieder sehr beherrscht. Doch er ärgerte sich darüber, dass er für seinen Sohn ein Fremder war, der ihn nur nach vorheriger Einladung besuchen durfte.
Er hatte damals getan, was seiner Meinung nach für seinen Sohn am besten gewesen war, obwohl es ihm nach wie vor nicht gefiel. Marilyn war kein Engel. Sie war momentan sehr emotional und sagte Dinge, die sie vergessen würde, sobald Ben wieder gesund war. Dann lief sowieso alles weiter wie bisher.
"Wir haben es ihm erzählt, Sam." Marilyn reichte ihm die Hand.
Aber Sam blickte sie nur verständnislos an. "Dass du sein leiblicher Vater bist. Er weiß jetzt, dass du ihn sehen willst und dass du ihn finanziell unterstützt. Und über den Treuhandfonds, den du für ihn eingerichtet hast, haben wir auch mit ihm gesprochen."
"Das hättet ihr nicht tun dürfen, Marilyn." Sam berührte flüchtig ihre Hand. "Es irritiert den Jungen nur."
Murray lachte. "Du kennst Ben nicht."
"Stimmt, ich kenne ihn nicht." Sams Kinnmuskeln zuckten, und sekundenlang herrschte verlegenes Schweigen.
"Er ist ein Kämpfer, Sam, man sollte ihn nicht unterschätzen", sagte Marilyn schließlich. "Von seinem Nierenschaden weiß er noch nichts. Wir wollten damit warten, bis die Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen."
Sam nickte und atmete tief ein. Man bietet mir eine Belohnung dafür an, dass ich meinem Sohn eine Niere spenden will, überlegte er ironisch. Doch dann verdrängte er den Gedanken wieder. Ben wusste jetzt, dass er sein Vater war, und diese Tatsache ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
"Rosalind?" Er reichte ihr die Hand.
Lindy sah ihn verblüfft an. Er will mich mitnehmen, jubelte sie insgeheim und legte ihre Hand in seine. Dann folgte sie ihm auf die Intensivstation mit der sterilen, unpersönlichen Atmosphäre.
Überrascht betrachtete sie Ben. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er seinem Vater so ähnlich sah. Er hatte genauso blaue Augen und genauso dunkles Haar.
"Er wird leicht müde, Mr. Rourke", mahnte die Schwester.
Lindy spürte, wie angespannt Sam war. Mit seiner finsteren Miene wirkte er auf ein Kind sicher einschüchternd. Doch sie hatte vergessen, dass er Schauspieler war. Plötzlich sah er völlig entspannt aus, und kaum jemand hätte vermutet, dass er sich in einer Ausnahmesituation befand. Der Augenblick, von dem er jahrelang geträumt hatte, war gekommen.
Doch Lindy wusste genau, wie ihm zu Mute war. Es muss gut für ihn ausgehen, ich könnte es nicht ertragen, wenn er schon wieder verletzt würde, überlegte sie. .
"So, du bist mein Vater", stellte Ben etwas zurückhaltend und neugierig fest. "Wie soll ich dich nennen?" Seine junge Stimme klang leicht herausfordernd.
"Meine Freunde nennen mich Sam."
"Ist sie deine Frau?"
"Ich bin nicht verheiratet."
"Dann habe ich wohl keine Geschwister, oder?" fragte Ben wehmütig.
"Noch nicht."
Zuerst glaubte Lindy, Sam spiele auf Marilyns Schwangerschaft an.
Doch Sams Miene verriet ihr, dass die Bemerkung für sie bestimmt und sehr persönlich gemeint war. Lindy errötete.
Plötzlich lachte Ben in sich hinein. "Ich hätte nichts gegen einen Bruder oder eine Schwester. Mam kann keine Kinder mehr bekommen, glaube ich."
"Wie schade!" Sam sah es nicht als seine Aufgabe an, das Missverständnis aufzuklären.
"Du bist Schauspieler?" Als Sam nickte, fuhr Ben fort: "Ich will aber etwas Ordentliches lernen." Gespannt wartete er auf die Reaktion auf diese provozierende Bemerkung.
"Eine kluge Entscheidung", lobte Sam ihn. "Hast du schon konkrete Pläne?"
"Vielleicht werde ich Arzt, das kommt mir irgendwie cool vor." Er betrachtete die verschiedenen Schläuche, an die er angeschlossen war.
"Rosalind ist Ärztin."
"Oh, cool." Offenbar war sie in seiner Achtung gestiegen. "Ich wäre beinah gestorben", erklärte er an Lindy gewandt.
"Ja, das wissen wir." Sie warf Sam einen besorgten Blick zu, er ließ sich jedoch die Angst um seinen Sohn nicht anmerken.
"Unser Patient braucht wieder
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