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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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eine Gräserlandschaft. Ich fahre mit beiden Händen so gerne durch seine Silberrückenaffenbehaarung, und dann weiß ich, dass wir alle nur von so einem abstammen.
    Außerdem wird einem auch viel kälter, wenn man sich die Haare überall wegmacht. Ich habe eine starke Behaarung am Unterarm, und einmal habe ich sie mir unter dem sehr schlechten Einfluss meiner Freundin weggemacht, die mir einreden wollte, dass man das nicht hat, als Frau. Und da wurde ich erst mal von meinem Mann fertiggemacht für diese ekelhaften Nacktmullunterarme, und da hat mir zum ersten Mal in meinem Leben einer gesagt, dass er die Haare auf meinen Unterarmen über alles liebt. Und ich habe auch ständig ganz unangenehm gefroren ohne sie. Ich ließ sie wieder wachsen, und er musste mir auch versprechen, dass er seine Rückenhaare lassen würde für mich.
    Ich sehe vom Flur aus, dass er den Tisch mit Kaffeekuchen gedeckt hat. Er ist bestens gelaunt und hat nicht bemerkt, dass ich noch schnell woanders als in der Therapie war. Keine Fragen, kein fragendes Gesicht. Super. Wenn ich irgendwann heute merke, dass er oben in der Wohnung was zu tun hat, werde ich mich nach unten an unseren Todesvorsorgeschrank schleichen und die notariellen Zusätze über die Enterbung meiner zukünftigen Exfreundin einräumen. Man darf das ja nicht richtig verstecken, das soll ja gefunden werden, wenn man bald tot ist vielleicht, das ist ja dann wie Ostereiersuchen für Erwachsene. Ich muss nur wachsam sein und den richtigen Moment abpassen. Damit der mich nicht erwischt.
    Ich ziehe meine Schuhe im Flur aus und schlüpfe in meine Fußspreizer von meiner Schwiegermutter. Wir haben ja beide dieses Überbein am Fuß, bei dem der große Zeh langsam immer krummer wird und sich quer über die anderen Zehen legt. Das ist genetisch bedingt, wird aber durch das Tragen von zu engen und spitzen Schuhen befördert. Schwiegermutter wurde an beiden Haluxen operiert, aber der Chirurg, der das bei ihr gemacht hat, hat ihr erklärt, wenn sie ein Leben lang einen Fußspreizer aus dem Sanitätshaus getragen hätte, hätte sie diese schmerzhafte Operation nicht über sich ergehen lassen müssen. Als sie mir das erzählte, mit den Fußspreizern, dachte ich mir: Das kauf ich mir, ich will nicht operiert werden, später. Zu Hause laufe ich deshalb immer mit diesen Spreizern rum, die ziehen den dicken Zeh weg von den anderen, dahin, wo der hingehört.
    »Ich habe Kuchen geholt für uns, im Café Heimweh . Alles Bio. Mit Bioeiern und alles.«
    Mein Mann weiß, wie man eine Frau rumkriegt.
    »Super. Danke. Hab auch richtig Hunger. Hast du zwei Stücke für mich? Jetzt, wo ich bald von Cathrin weg bin, darf ich ja wieder viel Kuchen essen.«
    »Ja, zwei. Klar.«
    Ich nehme die schönen Stücke Kuchen aus dem rosafarbenen Seidenpapier und lege jedem von uns eins auf den kleinen Teller. Dann stelle ich noch zwei Gläser Leitungswasser dazu. Das ist das einzige Mal in der Zeit, wo Liza bei ihrem Vater ist, dass wir zwei an dem Esstisch sitzen. Machen wir sonst nie. Wenn Liza hier ist, sitzen wir bei jeder Mahlzeit am Tisch. Muss sein. Wenn sie weg ist, essen wir meistens auf der Couch.
    Ich setze mich und fange direkt an zu essen. Wir haben uns früher sehr oft darüber gestritten, dass er nicht kommt, wenn ich rufe. Jetzt fang ich einfach schon an, wenn er nicht kommt. Haben wir in Paartherapie gelernt, dann muss ich mich nicht aufregen, ich darf ihn nicht zu einer Kopie von mir ummodeln, leider!
    Beim Hinsetzen spüre ich mein Poloch. Das ist etwas in Mitleidenschaft gezogen worden heute Morgen, bei dem Sex mit Lumi und Georg. Mit Sicherheit war es Georg, Lumi ist viel zu vorsichtig gewesen, um was kaputt zu machen. Analverkehr war bei all meinen Freunden schon immer ein großes Thema, aber nie so groß wie bei Georg. Alle waren Katholiken. Ich glaube, das hängt zusammen. Früher habe ich es ab und zu gemacht, als Liebesbeweis für den Freund. Heute will ich es gerne gut und oft hinkriegen, ich liebe ihn auch so viel mehr als je jemand anderen vorher. Am Anfang hat er das Thema ganz vorsichtig eingeführt. Er hat mich gebeten, das mal auszuprobieren. Da muss der Mann schon die Frau anbetteln, kann nämlich ganz schön anstrengend und schmerzhaft sein. Aber da muss man durch für die Liebe. Die scheiß Liebe. Ich würde das von alleine nie anbieten. Er bittet mich also, mich mal für ihn zu überwinden. Ich sage aufgeregt und besorgt Ja. Ich sage aber auch zu allem Ja. Ich kann mir, ehrlich

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