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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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Die meisten Sachen sind nach einem Mal Benutzen kaputtgegangen. Weil sie aus China kommen. Die Sprungfedern der Dildoverschlüsse sind kaputt, sodass man die Batterie nicht mehr festklemmen kann. Bei jedem anderen kaputten elektrischen Gerät würde man in den Laden gehen und sich beschweren. Bei Sexspielzeug macht man das irgendwie nicht. Auch weil der Verkäufer ahnen kann, wo das schon überall drin gewesen ist.
    Unsere Tasche ist also eigentlich voll mit komplett nutzlosen Sachen. Dildos in allen Größen. Von Fingergröße bis zu dem Riesenschwengel für das Experiment mit meinem Mann. Wir haben auch verschiedenste Fesselwerkzeuge, die wir nur ganz am Anfang unserer Beziehung mal ausprobiert haben. So ein Gebilde mit Arm- und Fußfesseln in einem. Augenbinde (damit ist der Polochkoksunfall an meinem Schließmuskel passiert). Wir haben Bänder mit elektrischen Kugeln dran, die sich in mir bewegen würden, wenn sie nicht aus China wären.
    In einer ewig langen Sitzung jedenfalls haben wir es geschafft, sein Poloch so weit zu dehnen, mit den verschiedensten Gegenständen, kleinen Dildos, Analspreizern, bis der dicke Knüppel bei ihm reinpasste. Seitdem hat er noch mehr Respekt vor meinem inneren Polochdialog. Er ist seitdem auch noch vorsichtiger geworden.
    Das ist eine gute Idee für heterosexuelle Frauen, um ein lockereres Leben zu führen: Der Mann, falls er denn mal so etwas von der Frau verlangt, soll das selber auch mal bei sich ausprobieren. Wie bei uns mit dem Riesendildo in seinem Arsch. Hat mein Leben auch viel lockerer gemacht, er verehrt mich jetzt vollkommen, wenn ich ihn mal hinten reinlasse, through the backdoor , in den Braunen Salon, einmal komplette Hafenrundfahrt, weil er noch ganz genau weiß, wie weh es ihm getan hat, wie schwer es für ihn war, sich so locker zu machen im Kopf und am Schließmuskel, dass es ihn nicht zerreißt. Wie unglaublich lang er auch gebraucht hat, bis ich nur die Minispitze von dem Dildo da rein bekam. Unendlich lange! Haha!
    Als er das endlich weggesteckt hatte, er brauchte wirklich viel länger als ich, er hat ja keine Übung im Leute-bei-sich-Reinlassen, wie wir Frauen, hab ich ihm gesagt: »Und das Nächste, was du mal ausprobieren musst, ist, Sperma runterzuschlucken. Wenn du das schaffst, dann mach ich das auch gerne mal wieder für dich!«
    Ich stehe auf und gehe ans Fenster zum Garten hin. Ich mag das wirklich nicht, wenn meine Tochter weg ist. Ich gucke auf den Quittenbaum in unserem Garten. Da oben in der Baumkrone hat sich eine Elster ihr Nest gebaut. Ich bin wie besessen von solchen Sachen. Seit dem Tod meiner Brüder hat das magische Denken, wie es sonst meistens Kinder haben oder eben bescheuerte Christen, bei mir stark zugenommen. Den Begriff »magisches Denken« habe ich von der Drescher gelernt. Sie meint damit all diese Dinge, die im weitesten Sinne mit Aberglauben zu tun haben. Zum Beispiel meine Besessenheit von der Zahl drei. Drei tote Kinder. Dann spinne ich das in meinem traumatisierten verwundeten Kriegshirn zu ganz anderen Dingen zusammen. Wenn ich drei Fliegen in der Küche rumfliegen sehe, denke ich, das seien meine Brüder. Ich schlag sie trotzdem tot, weil ich mich nicht mit ihnen beschäftigen will und mir mein Hirn auch oft zu verrückt ist, außerdem ist es nicht schlimm: Falls sie es tatsächlich waren, haben sie es ja vorher auch geschafft, noch mal wiedergeboren zu werden. Wenn ich durch die Welt laufe, draußen, dann gucke ich meistens in die Luft und suche Knubbel. Es gibt drei Arten von Knubbeln, die ich in Bäumen suche: einmal die Elsternnester, wie bei uns in der Quitte, das sind so ganz unordentlich gebaute Nester, man erkennt sie an einer Art lose zusammmengestecktem Dach, das sich die schlaue Elster als Schirm über ihr Nest gebaut hat. Dann die Mistelparasiten, die knubbelartig in Bäumen hängen. Sie haben selber keine Möglichkeit, sich zu ernähren, sie trinken und essen alles über die Rinde ihres Wirtsbaumes. Man sieht sie besonders gut, wenn man über die Autobahn fährt und in die Bäume guckt, oft gibt es regelrechte Kolonien davon. Lustigerweise gibt es in England einen Brauch, zu Weihnachten: Wenn man sich unter so einem Mistelzweig küsst, heißt das, dass man bald heiraten wird. Passt ja gut, Parasitentum und die Ehe. Und der dritte Knubbel, nach dem ich immer schaue: die Eichhörnchenkobel. Die sind ganz ordentlich und ganz rund gebaut, nicht so schlampig, wie die Elster das macht. Und die sind aber auch von

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