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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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Verfahren jeweils ein Haar in die Mitte der DVD . Dazu hob ich die DVD von den Plastikspreizern in der Mitte ab, legte mein Haar doppelt über die Plastikspreizer, klemmte die DVD auf und fummelte mein Haar durch die Mitte ein Stückchen raus, bis ich einen Haarbogen über dem Schließmechanismus erkennen konnte. Wenn er eine DVD rausnehmen sollte, würde mit Sicherheit das Haar rausfallen. Ich probierte es aus, nahm eine DVD raus, klemmte sie wieder in der Halterung fest und suchte das Haar. Es war tatsächlich weg. Ich war sehr stolz auf mich, obwohl ich da schon ganz genau wusste, dass das falsch ist, was ich da mache. Und irgendwie ahnte ich auch, dass es nur zu Chaos und Verzweiflung führen würde, wenn ich recht behalten würde mit meiner bösen Vermutung, dass er hinter meinem Rücken nicht die Regeln meines Terrorregimes einhält. Wahrscheinlich habe ich das auch wieder von meiner Mutter, keine Ahnung, warum ich meinte, dass es ein Betrug an mir sei, wenn er Sperma verspritzt und ich weit und breit nicht in der Nähe bin. Ist ja wieder mal fast katholisch, meine Moral! Schlimm. Es ist eine self-fulfilling prophecy . Alleine, dass man die Filme bei einem Mann in der Wohnung liegen lässt, kommt mir im Nachhinein so vor, als würde man einen Knochen hinlegen und dem Wolf sagen, er darf aber nicht da drangehen. Klar klappt das nicht. Vielleicht wollte ich auch, dass das nicht klappt. Ich wollte testen, ob ich ihm vertrauen kann bis ans Ende meines Lebens, ob er ein Lügner ist oder feige, ob er die Stärke, den Mut hätte, nachher die Wahrheit zu sagen, wenn ein Haar fehlte.
    Ich stapelte die Filme zurück auf den Boden in der notierten Reihenfolge. Eigentlich war schon die Reihenfolge der Stapelung ausschlaggebend: Wenn die durcheinander sein würde, wenn ich zurückkam, war doch schon alles klar. Es gab drei Stufen der Kontrolle: die Stapelung, die Haare und die Konfrontation. Das alles würde ich eiskalt wie ein Racheengel durchziehen, ohne jede Gnade für die große Liebe meines Lebens.
    Ich steckte den kleinen Zettel mit der Stapelreihenfolge ganz tief in mein Portemonnaie, fuhr ab und kam am nächsten Tag wieder. Ich war ganz aufgeregt, wie ein Jäger, der eine Falle aufgestellt hat. Nur dass die Sache viel sicherer war als in der freien Natur, dass meine Falle garantiert zugeschnappt sein würde, mit einem fetten Beutetier drin, meinem Mann.
    Er war nicht da, als ich heimkam. Home sweet home . Ich ließ die Tasche im Flur fallen, rannte mit Jacke in die Ecke vom Wohnzimmer, wo die Filme gestapelt lagen, um die traurige Gewissheit zu erlangen, dass ich recht behalten würde. Man kann eben niemandem trauen, man kann sein Leben nicht in die Hände eines anderen legen oder sein Herz oder sein was auch immer, seine Möse!
    Ich sah sofort, dass die Reihenfolge durcheinander war, holte aber trotzdem das Portemonnaie raus mit dem Zettel. Der Zettel bestätigte es nur, sie waren durcheinander. Komplett. Kein Stein stand auf dem anderen. Nichts war mehr so wie vorher, in dem Stapel nicht und in unserer Beziehung auch nicht. Ohne jedes Unrechtsbewusstsein hatte er den Stapel stümperhaft wieder aufgebaut. Was denkt der eigentlich, wie dumm ich bin? Heftig atmend öffnete ich alle DVD -Hüllen und hielt sie ins Licht. Wäre ein Haar da gewesen, ich hätte es gesehen. Alle waren weg, bei der ersten, der zweiten, der dritten und vierten, bis zur letzten, selbst bei der, die wir schon geguckt hatten, fehlte das Haar.
    Das schockierte mich mehr, als ich erwartet hätte. Ich saß da, auf dem Boden, und dachte nach. Ich wusste, dass er ein Sexmaniac war, aber so doll? Das wusste ich nicht. Er hat sechs Pornofilme geguckt, als ich weg war? An einem Abend? Oder auch schon den Tag über. Wahnsinn. Ich hatte mich ja in ihn verliebt wegen seiner ungebremsten männlichen Sexualität. Um meine Mutter zu ärgern, habe ich mich in den archaischsten, sexuellsten Mann, den ich finden konnte, verliebt und er, um seine Mutter zu ärgern, sich in mich, die Antichristin, das Gegenteil von katholisch, so unkatholisch, dass ich fast schon wieder katholisch war! Wir waren zusammen, weil wir unsere Mütter ärgern wollten, das hat auch gut geklappt, unsere Mütter zu ärgern, aber das jetzt? So viel Sexualität war selbst für mich zu viel.
    Ich musste mich beruhigen und überlegen, wie ich ihn zur Rede stellen würde, um möglichst viel in unserer Beziehung für alle Zeiten zu zerstören. Und ich würde ihm verbal noch eine letzte Falle

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