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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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ausfechte, sondern innen. Dadurch gab es eine radikale Erstverschlimmerung, aber mein Mann hat jetzt seinen Frieden. Er hat all die Ausraster, all den Hass, die Wut, die Enttäuschung über Sachen, für die er überhaupt nichts kann, nicht verdient. Nur meine Eltern sind schuld und der Lkw-Fahrer und die Zeitung!
    Ich habe aber mit meinem Verhalten bis vor Kurzem so viele Wunden gerissen in ihm, dass er mich heute noch misstrauisch anguckt und einen Ausraster erwartet, wenn wir über bestimmte Dinge reden. Er hat totale Angst vor mir. Es wird Jahre dauern, bis diese Angst weggeht. Das hat meine Therapeutin sofort gewusst, sie hat gesagt, man könne nichts ungeschehen machen, sie hat mir praktisch bei allen problematischen Themen einen Maulkorb verpasst.
    Ich glaube, es ist sehr eindrucksvoll, wenn ich ausraste. Ich habe schon kochende Milch über ihn geschüttet, einen Hundert-Kilo-Holztisch hochgehoben und versucht, den auf ihn draufzuwerfen. Mit allem Möglichen nach ihm geworfen und ihm körperlich wehgetan.
    Im Film wird das ja oft als leidenschaftliche Beziehung dargestellt, wenn eine Frau mit Gegenständen um sich wirft. In Wirklichkeit ist das der Beweis dafür, dass die Frau komplett geistesgestört ist.
    Mein Mann und ich haben mal an einem Tag sechs Pornofilme ausgeliehen. Es ist mir zwar immer peinlich, als Frau in die Pornoabteilung zu gehen. Ich fühle mich dann aber auch sehr machtvoll. Ich könnte Buh! machen, dann würden all die verklemmten Männer, die da rumstehen und normal tun, weglaufen. Gleichzeitig höre ich auch meine Mutter, die auf meiner Schulter sitzt und rumnervt: Aha, guck mal, die arme, unterdrückte Frau muss mit ihrem Unterdrückermann Unterdrückerfilme ausleihen, sonst verlässt er sie. Das denke ich alles, wenn ich da rumlaufe und nach dem Cover gute Filme aussuche. Sämtliche Arten von Fetisch kommen für uns nicht infrage. Wir mögen keine Achtzigjährigen, keine Hochschwangeren, keine Gewalt, keine Lolitas. Keine real fotografierten Filme, wo man an den Pobacken den Rasurbrand sieht. Am liebsten mögen wir alles, was so ist wie Andrew-Blake-Filme. Also haben wir von seinen Filmen sechs Stück ausgeliehen: Water , Aria , Girlfriends , Playthings , Wild und Wet . Der hat wohl einen Tick mit dem Buchstaben W, fällt mir grad auf.
    An dem Abend haben wir dann nur einen geschafft. Wir gucken Pornofilme, um uns in eine Art Rauschzustand zu versetzen. Wir vergessen alles um uns rum, als hätten wir Sexdrogen genommen. Es hat was sehr Entspannendes, wenn man daliegt und anderen beim Sex zuguckt, wenn man es schafft, wie ich an diesem Abend, das kranke Eifersuchtszentrum auszuschalten. Wir haben dann wilderen Sex währenddessen oder danach als sonst. Dafür gucken wir die.
    Ich musste am nächsten Tag weg für eine Nacht wegen meiner Arbeit, und schon ging mein Eifersuchtszentrum wieder an. Ich dachte, wehe, er guckt die anderen alleine und lügt mich womöglich an, wenn ich wieder zurück bin. Und guckt mit mir einen Film noch mal, obwohl er ihn ohne mich schon gesehen hat. Und während wir den gucken, gemeinsam, und während wir Sex haben, muss er immer überprüfen, was er sagt, damit er sich nicht verplappert. Das war auch die Zeit, in der ich wegen meines geringen Selbstbewusstseins nicht akzeptieren konnte, dass er alleine Pornofilme guckt. So gingen die schlimmen, einengenden Pärchenregeln, die vor allem ich aufgestellt hatte. Ich versuchte ja nur, Regeln aufzustellen, um alles besser zu machen, als es vorher in den anderen Beziehungen gelaufen war. Ich dachte damals, wenn er sich ohne mich einen runterholt, egal, ob mit oder ohne Film, dann ist das der Anfang vom Ende, ich war sehr nah an einer Taliban damals, und so sieht er mich leider auch heute noch. Ich habe viel Energie da reingesteckt, dass er dieses Bild von mir nicht mehr loswird. Niemals vielleicht.
    Ich hatte einen teuflischen Plan. Als Erstes rang ich ihm unauffällig das Versprechen ab, dass er natürlich mit dem Gucken der anderen fünf Filme auf mich warten müsse. Dass er nicht ohne mich guckte. Damit fing es an. Ich wartete, bis er morgens die Wohnung verließ. Ich riss mir sechs Haare aus und legte sie auf ein weißes Blatt Papier. Ich habe nämlich lange, dunkle Haare, die sieht man auf Weiß am besten. Dann merkte ich mir die Reihenfolge, wie die Filme seit dem Sexabend gestapelt lagen. Ich kam mir vor wie in einem Agentenfilm. Ich öffnete eine DVD -Hülle nach der anderen und klemmte in einem komplizierten

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