Schossgebete
raus, dass ich der Arsch in der Geschichte war. Ich hatte ihm eine Falle gestellt, und das wurde schlimmer bewertet als seine Lügerei.
Das Misstrauen sitzt jedenfalls, was sexuelle Dinge angeht, tief, vielleicht klappt es deswegen so gut im Bett? Vielleicht liegt es doch nicht an seiner Manneskraft oder seinem Geld. Vielleicht liegt es an seiner für mich unkontrollierbaren sexuellen Energie, wovon ich ja meistens sehr stark profitiere. Weil er es schafft, dass ich jedes Mal komme, wenn wir Sex haben. Oder liegt das wieder nur an mir? Das sagt er. Er sagt, es läge nicht an ihm, sondern an meiner Fähigkeit, wenigstens beim Sex vollkommen loszulassen, darum komme ich seiner Meinung nach immer und so heftig!
Super, wie lange ich schon hier sitze und atme und denke! Ich horche in unsere Wohnung, langsam habe ich Hunger, ich will endlich los. Es klappert aber nach wie vor in der Waschküche. Ich störe ihn dabei nicht, bin froh, wenn das erledigt ist da drin. Es ist doch verwunderlich, wie sich unsere Beziehung und wir, na ja, eigentlich ich, verändert haben in den letzten sieben Jahren. Er muss sich ja nicht so viel verändern wie ich. Er nervt ja niemanden, so wie ich es tue. Er ruht viel mehr in sich.
Früher habe ich mich an ihn geklammert, wie eine Geisteskranke, auf einmal finde ich, wir dürfen nicht so symbiotisch sein, weil wir den Bach runtergehen sonst, ich werde stärker und denke langsam, ich könnte auch ohne ihn leben. Und plötzlich kippt alles ins andere Extrem. Ich wünsche mir, er würde fremdgehen, dann könnte ich auch mal. Vielleicht mit unserer schönen Babysitterin oder einer Freundin von mir. Aber vielleicht sollte ich nicht auch noch seine Fremdgehfrau aussuchen, würde Frau Drescher jetzt bestimmt sagen. Ich weiß nicht, wie ich meinem Mann beichten soll, dass ich praktisch mit allen Männern schlafen will, die ich kennenlerne. Ich liebe ihn, und ich liebe den Sex mit ihm. Aber ich will mehr. Sexuell kann kein Mann irgendwas besser machen, handwerklich an meiner Vagina, das ganze Pornogediddeldididdel an meiner Klitoris, bis sie fast explodiert, aber ich will einfach mal einen anderen Körper zwischen meinen Schenkeln. Schrecklich manchmal, das Monogamiegefängnis!
Ich höre, wie er in der Waschküche den Wäscheständer auseinanderklappt. Der ist ein wenig sperrig. So viel Wäsche muss der aufhängen, dass er den jetzt zusätzlich braucht? Interessant.
Wie bringe ich ihm bei, dass all die Männer, in die ich in letzter Zeit ein paar Tage, ein paar Wochen verliebt war, offensichtlich keine Gefahr darstellen für unsere große Liebe? Oder ist das ein Spiel mit dem Feuer? Und viel gefährlicher, als es mir gerade vorkommt? Ich denke, wenn ich mit ihnen schlafen dürfte, dann würde die Leidenschaft kleiner, kontrollierbarer, dann wäre schnell der Zauber weg.
Er kommt endlich hoch, strahlt mich an. »Gehen wir?«
»Klar, warte, ich hol mir noch ’ne Strickjacke.«
Ich wische die Gedanken weg, ich muss das bald wieder mal ansprechen.
Wir schließen unsere Wohnung von außen mehrmals ab: Safety first! Wir gehen zu Fuß um die Ecke zu unserem Stammitaliener, Alberto. Alles ist bei uns eingespielt, das Essen, der Sex, die Laufwege durch das Viertel, alles. Ich muss beruhigt werden, nicht aufgeregt.
Georg und ich laufen die ewig gleiche Strecke, mit den genau gleichen Straßenseitenwechseln bis zum Restaurant. Wir reden nicht viel. Das ist schon lange vorbei. Manchmal halte ich seine Hand, dann lasse ich sie wieder los, weil es mir lächerlich vorkommt, sie zu halten, finde manchmal, dass wir zu alt zum Händchenhalten sind.
Meine Therapeutin sagt über Beziehung, man muss jeden Tag freiwillig zusammen sein. Jetzt habe ich aber leider jahrelang Zwang in die Beziehung gebracht. Wie ich jetzt weiß, habe ich mich in mein eigenes Bild von meinem Mann verliebt. Dann musste ich in einem schmerzhaften Prozess feststellen, dass er gar nicht so ist, wie ich dachte. Er umgekehrt bei mir auch! Und wir sind trotzdem zusammengeblieben, weil mir das, was übrig blieb nach dem Löschen aller Illusionen, auch gefiel, es war jemand ganz anderes, trotzdem aber gut für mich und gut zu mir! Dann fing ich an, ihn so verändern zu wollen, dass er so wird wie ich. Meine Therapeutin hat mir hundertmal gesagt, Frau Kiehl, was wollen Sie eigentlich? Wenn Sie es geschafft haben, ihn mit aller Gewalt so umzumodeln, dass er so ist wie Sie, dann verachten Sie ihn auch sofort, und das war es dann mit Ihrer Liebe.
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