Schossgebete
stellen, nur um mir selber zu beweisen, dass es mit ihm nun wirklich gar nicht ging.
Ich fühlte mich in meinem Wahn, mich selber kleinzumachen und mir selber die große Liebe meines Lebens zu rauben, betrogen, verraten und alleine für immer. Dafür würde ich ihn gnadenlos fertigmachen. Dafür sollte er bluten.
Abends kam er nach Hause. Da hatte ich schon hundertmal alles im Kopf geübt. Freundliche bis überschwängliche Begrüßung, wir sind ja noch nicht lange zusammen, ich muss ihn in Sicherheit wiegen.
»Und? Hast du geschafft, mit den Filmen auf mich zu warten?«
»Natürlich. Was denkst du denn! Haben wir doch so abgesprochen. Dann halt ich mich auch da dran.«
Klar!
»Würdest du auch nicht mal ganz kurz reingucken in einen Film oder zwei, wenn ich weg bin und dir langweilig ist?«
»Nein, wirklich nicht, hab ich doch grad schon gesagt, warum fragst du denn so komisch?«
Er spürt, dass da was im Busch ist. Er kriegt Panik, hat aber keine Ahnung, woher ich das wissen kann. War der Ton zu laut gewesen, hatte ich Spione im Treppenhaus? Hatte ich ihn beschatten lassen? Gibt es ein Spy-Programm, das man am Fernseher installieren kann und das aufnimmt, was jemand geguckt hat? Das hat meine Mutter immer bei ihren Männern gemacht. Mir fällt grad auf, dass ich das Misstrauen Männern gegenüber wahrscheinlich von ihr geerbt habe. Scheiße! Ja. Sie hatte eine besondere Funktion an ihrem geliebten Videorekorder der uralten Sorte. Sie konnte ins Bett gehen, und während sie schön schlief und der Mann sich durch die Programme zappte, die nachts nackte Frauen zeigen, konnte sie morgens, wenn er wieder bei der Arbeit war, in aller Ruhe nachverfolgen, wie lange er sich was angeguckt hatte. Aber was kann der Mann dafür? Dass man so gestört ist? Ich eiferte jedenfalls der gnadenlosen Richterin in Sachen Männersexualität fleißig nach.
»Ich frage, weil mich das so wundert, dass der Stapel irgendwie anders dasteht, anders als gestern, als ich gefahren bin, glaube ich, wenn ich mich richtig erinnere.«
Ich gebe ihm lauter Chancen, die Wahrheit zu sagen, ich frage immer weiter nach, so lange, bis es nicht mehr geht und ich ausrasten werde wegen so viel Feigheit, Unehrlichkeit. Insgeheim weiß ich aber, dass er es nicht sagen kann, weil ich mich bis dahin nicht gerade als Mensch präsentiert habe, dem man locker die Wahrheit sagt. Wenn man so oft ausrastet und den Liebsten bestraft, dann ist man auch selber schuld, wenn man vor lauter Angst angelogen wird. Ich verbreite Angst und Schrecken in unserer Beziehung, verachte aber gleichzeitig meinen Mann, der sich davon ins Bockshorn jagen lässt.
»Ach so, das meinst du. Ich habe gestaubsaugt, und da habe ich den Stapel umgeworfen. Auf was du achtest. Meine Süße. Und dann denkst du direkt das Schlimmste von mir, dass ich ohne dich unsere Filme geguckt habe. Mach dir keine Sorgen. Wenn ich was sage, dann ist das so. Du kannst mir vertrauen. Guck doch nicht so wütend!«
Mir reicht’s, wenn ich nicht wüsste, ganz genau, hundertprozentig, dass er lügt, gäbe es keinen Anhaltspunkt, wie ich das erkennen könnte. Das ist wirklich Angst einflößend, wenn man ganz genau weiß, dass jemand lügt, er es aber so gut macht, dass man es glauben würde, wenn man es nicht wüsste. Einfach so voll verarscht werden würde.
Ich stiere ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
»Was ist los mit dir? Irgendwas hast du doch? Glaubst du mir nicht?«
»Genau, ich glaube dir nicht! Du ekelhaftes Schwein. Was ist, wenn ich dir sage, dass ich ganz genau weiß, dass du alle Filme geguckt hast, vielleicht nicht ganz, aber mal reingeguckt, in alle ! Jeden einzelnen. Ich habe dir eine Falle gestellt, du ekelhaftes Schwein. Wie soll ich dir vertrauen? Ich lebe doch nicht mit so einem zusammen. Der sich nicht an Verabredungen hält und mir dann, obwohl er erwischt wird, fett viermal hintereinander ins Gesicht lügt! Wie soll das gehen? Ich weiß ganz genau, dass du die Filme geguckt hast, du ekelhaftes Schwein.«
»Was heißt das? Du hast mir eine Falle gestellt? Wie? Falle?«
Ich laufe raus, er sofort hinterher, wenn man frisch zusammen ist, macht man noch so Spielchen, man spielt ja immer Filme nach, in Extremsituationen, woher soll man das sonst können?
Eigentlich will man das ja gar nicht, weglaufen, man will ja nur einen Test machen, ob er hinterherkommt, dann kann man auch direkt dableiben.
Wir hatten tagelang Streit wegen der Lüge. In der Paartherapie stellte sich schnell
Weitere Kostenlose Bücher