Schottische Ballade
auf dem Sippentag gerettet hatte. Lion Sutherland. Freund, Liebhaber, Feind. Sie starrte ihn an. Die Augen schmerzten, als sie versuchte, die Dämmerung zu durchdringen. Etwas im Klang seiner Stimme, in der Art, wie er vor ihr stand, so aufrecht, so sicher und stolz, ließ sie erzittern. „Wer seid Ihr?“ flüsterte sie.
Er hob den Kopf. Ein kurzes Lächeln. „Wie säumig von mir.“
Er nahm den Helm ab, verbeugte sich tief, um der Lady seine Aufwartung zu machen. „Ich bin Lionel Sutherland of Glenshee.“ „Bei allen Heiligen! “ Rowena schwindelte. Sie betete, der Erdboden möge sie verschlingen. „Du darfst es nicht sein.“
„Rowena?“ Er näherte sich ihr, seine Hand war warm und fest, als er sie unter ihr Kinn legte und ihren Kopf hob. „Bei Gott! Du bist es.“ Sein Griff umschloss sie fester. „Zur Hölle! Wenn ich das gewusst hätte, ich hätte Georas und Dickie durchbohrt, da sie es wagten, dich zu berühren.“ Er strich ihr zärtlich über die Wange. „Bist du unverletzt?“
„Ja“, antwortete sie, benommen von der unerwarteten Wende der Ereignisse. Es war entsetzlich und doch aufregend, Lion wieder zu sehen, ihm nahe zu sein nach so langer Zeit. Sein Haar war kürzer, die dunkle Mähne reichte nur bis an die Schultern. Nichts konnte indes das Leuchten in seinen bernsteinfarbenen Augen dämpfen. Augen, die sie eingehend betrachteten. Ja, er war noch immer ein beeindruckender Mann, mit dem Körper eines Kriegers und dem Gesicht eines Poeten. Ein Mann, dem andere Männer in die Schlacht folgten, ein Mann, bei dessen Anblick die Frauen seufzten und nach dem sie sich verzehrten. Sie hatte geseufzt und sich verzehrt. Oh, wie sehr hatte es in ihr gelodert. Wie sehr hatte sie sich gegrämt, als es vorbei war.
Die Erinnerung daran, dass er sie verlassen hatte, brachte sie in die Wirklichkeit zurück. Zitternd vor Aufregung versuchte sie, sich zurückzuziehen.
„Ssch. Du brauchst keine Angst zu haben, du bist bei mir in Sicherheit.“ Er zog sie in seine Arme. Das Gefühl seiner Umarmung war so vertraut, so begehrenswert nach sechs langen Jahren der Entbehrung, dass sie erneut erbebte. „Ruhig.“ Er strich sanft über ihren Rücken, wie er es so oft in der Vergangenheit getan hatte, als er sie von den Höhen der Leidenschaft in wonnevolle Zufriedenheit geführt hatte.
Verärgert über ihre eigene Schwäche versuchte sie, sich von ihm zu lösen, doch er gab sie nicht frei. Was immer er auch in den sechs Jahren in Frankreich getan hatte, es hatte seine Kraft gestählt und nicht erschöpft. „Du tust mir weh“, sagte sie, da sie seine Schwäche kannte.
Er lockerte seinen Griff. „Ich weiß, ich habe dir wehgetan“, sagte er, seine Stimme tief und gepresst, und sie wusste, es war nicht die Gegenwart, von der er sprach, sondern die Vergangenheit.
„Ich möchte nicht darüber reden.“
„Ich verstehe, doch...
„Ach, tust du das?“ Der Zorn, den Rowena all die Jahre zurückgehalten hatte, die sie bei den Gunns zubrachte, drohte plötzlich hervorzubrechen. Sie schüttelte seine Hand ab und schrie: „Gut, dann verstehe das. Ich liebte dich mit meinem ganzen Herzen. Als du fortgingst, hast du alles zerstört. Du hast beinahe mich zerstört. Lass mich“, fügte sie hinzu, als er erneut nach ihr griff.
„Es ist dein gutes Recht, dass du dich verletzt und verärgert fühlst, doch etwas muss ich dir sagen.“
„Nun, ich will es nicht hören.“
Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er erregt war. Gut so. Sie hoffte, er möge diese Bürde tragen bis ins frühe Grab, das er aufrichtig verdiente.
„Du bist es mir schuldig, mich anzuhören.“
„Ich dir schuldig?“ Rowenas wallender Zorn drohte überzukochen. Sie stieß ihren Ellbogen in die felsenharten Muskeln seiner Magengrube und missachtete den stechenden Schmerz, der ihren Arm durchzuckte. Sein überraschtes Aufstöhnen, als er sich vornüberbeugte, war für sie eine Befriedigung, doch nicht halb so viel wie der wilde Fluch, den er ausstieß, als ihr Knie ihn an der Kinnspitze traf.
Er stürzte zu Boden. „Verdammt.“ Ärgerlich strich er sich das Haar aus dem Gesicht. „Von wem, zum Teufel, hast du das gelernt?“ stieß er atemringend hervor.
„Von dir. Du sagtest, ein Mädchen solle sich selbst beschützen können.“ Rowena stand über ihm, die Hände in die Hüften gestemmt, ihre verletzten Gefühle besänftigt. Ihn zu ihren Füßen zu sehen machte den Kummer der
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