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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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Und dann dachte er an Andrea, die jetzt bestimmt in ihrem heißen Wasser lag und sich erholte. Schön war das gewesen, wie sie so selbstlos angepackt und ihm geholfen hatte. Er würde ihr morgen einen guten Tag bereiten, und danach würde man weitersehen. Wenn er es richtig verstanden hatte, musste sie übermorgen abreisen, und wenn er sie nicht daran hindern konnte, musste eine andere Lösung gefunden werden. Auf keinen Fall wollte er sie schon wieder verlieren. Andererseits mochte er aber seine Anonymität nicht aufgeben. Vielleicht nahm sie ihm das übel, wenn sie eines Tages die Wahrheit erfuhr, aber darauf musste er es ankommen lassen. Er hatte in seinem Leben genug Erfahrungen mit Frauen hinter sich, er wusste, worauf er sich einließ, auch wenn er ihr gegenüber im Unrecht war. Sie hielt ihn für einen Schäfer, und so sollte es auch bleiben.
    Ryan stand auf und ging zurück. Bevor er die Haustür öffnete, beruhigte er die Hunde, die den fremden Wagen anbellten, sie sollten sich nicht wie wild auf diese fremde Frau stürzen.
    Ein Duft von gutem Essen stieg ihm in die Nase, als er das Haus betrat. Der Tisch war nett gedeckt, Kerzen brannten, Wein stand bereit, und im Backofen brutzelte eine aufgetaute Entenpastete, die Linda neulich mitgebracht und eingefroren hatte.
    Ryan streichelte die Hunde, ließ sie in Ruhe die Witterung der fremden Frau aufnehmen und gab ihnen ihr Futter. Mit leisem Knurren verschlangen sie Pansen und Herzstücke und legten sich schließlich zufrieden auf ihre Decken. Ryan sah auf die Uhr, es war fast neun, und er überlegte, wie dieser Abend verlaufen sollte. Schließlich setzte er sich an den Tisch und begann mit dem Essen, als Karen sich dazugesetzt hatte.
    »Sie haben mir noch nicht gesagt, weshalb Sie hergekommen sind, Karen.«
    »Ganz einfach, ich hatte Lust auf Gesellschaft, auf Ihre Gesellschaft. Sie glauben gar nicht, wie langweilig es da oben in der Vogelstation ist. Fast stumme, ungesellige Typen, diese Vogelpfleger, und außer Kartenspielen und Fernsehen kennen sie keine Abwechslung. Wissen Sie, ich komme aus Glasgow, ich bin ein Großstadtmensch, da ist immer etwas los, da ist man auf der Piste, da passiert etwas. Langeweile gibt‘s da nicht – und nun sitze ich für ein halbes Jahr da oben in der Einöde fest. Können Sie nicht verstehen, dass ich einmal Abwechslung brauche?«
    »Aber Sie haben sich diesen Beruf ausgesucht.«
    »Nein, nein, ich studiere Ökologie, der Job in der Vogelwarte ist nur ein Praktikum, ein interessantes, wenn es um die Greifvögel geht, das schon, aber es ist eben auch der langweiligste Ort, den man sich vorstellen kann.«
    »Aber wie kommen Sie auf die Idee, ich sei ein geselliger Mensch, Sie kennen mich doch gar nicht.«
    »Ich habe da so meinen sechsten Sinn, wissen Sie? Gleich als ich Sie sah, wusste ich, dass Sie mir gefallen. Wir könnten uns doch hin und wieder einen netten Abend machen und eine nette Nacht, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie hier so allein, ich da oben so allein, da muss man doch ein bisschen nachhelfen. Es wird uns beiden gut tun, glauben Sie mir.«
    »Sie denken also, ich gehe mit Ihnen ins Bett? Da muss ich Sie schwer enttäuschen. Der Typ bin ich nämlich nicht.«
    »Ach was, schmeißen Sie Ihre Prinzipien doch mal über Bord, Mr Ryan McGregor. Mir brauchen Sie den stinkenden Schäfer nicht vorzuspielen. Ich weiß, wer Sie sind, ich habe mich erkundigt. Ich weiß auch, dass Sie seit Jahr und Tag keine Frau mehr hatten. Also, hier bin ich, greifen Sie zu, so ein Angebot bekommt auch ein vielfacher Millionär nicht jeden Tag serviert.«
    Ryan stand auf. »Ich denke, es ist besser, Sie gehen jetzt.«
    Er ging zur Tür, nahm ihre Schuhe und warf sie in die Dunkelheit. »Bis Sie Ihr Auto gefunden haben, lasse ich das Licht noch brennen, also beeilen Sie sich.«
    Langsam stand Karen auf, sie sah ihn an. »Das verzeihe ich Ihnen niemals, verlassen Sie sich darauf.«
    »Dann vergessen Sie auch nicht, dass ich keine Hure geordert habe.« Damit schloss er die Tür und löschte das Hoflicht, als er hörte, dass sie den Motor anließ.
    Ryan schlief kaum in dieser Nacht. Er hatte sich in ein Lügennetz verstrickt, und er wusste nicht, wie er herauskommen sollte. Er wollte seine Freunde nicht verlieren, er wollte Andrea behalten, er wollte seine falsche Identität bewahrt wissen, und er wusste, dass das alles nun zu Ende war. Er musste Farbe bekennen; auch auf die Gefahr hin, alles zu verlieren: die Freunde, die Frau, dieses

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