Schottische Disteln
seinem Schuppen. Aber die Tore waren geschlossen, der Pferdetransporter stand so, wie er ihn abgestellt hatte, und als er die Rampe öffnete, war auch die Ladung mit dem Krempel aus dem Schloss unberührt. Ryan verschloss alles wieder sorgfältig und ging zurück.
Die Hunde hatten sich in der Sonne ausgestreckt, die Schafe grasten friedlich, er sah auf die Uhr: Zeit, sich fertig zu machen, wenn er um zehn Uhr bei Andrea sein wollte. Er holte einen Spaten, nahm die zusammengebundenen Kadaver und vergrub sie hinter dem Haus. Dann häufte er ein paar Steine auf das Stück Erde, damit die Hunde sie nicht herausbuddelten, und besah sich den Landrover gründlich von innen, von außen und auch von unten. Aber alles war in Ordnung, abgesehen von dem Schmutz, der ihn bedeckte. Aber zum Waschen reichte nun die Zeit nicht mehr. Ryan ging nach oben, zog sich aus und duschte. Während er sich anzog, sah er in den Spiegel. Er war ein Mann mit einem knochigen Körper, hoch gewachsen und schmal in den Hüften. Aber seine Schultern und Arme waren ausgeprägt, er war fit und konnte zupacken, wo es nötig war. Das hatte er der körperlichen Arbeit zu verdanken, die ihn wenigstens hier für vier Wochen in Form hielt. Schlaffe Haut oder Fettpolster gab es nicht. Vielleicht verrieten die Falten in seinem Gesicht sein Alter, sein Körper jedenfalls war in bester Verfassung. Ryan rasierte sich, versuchte, sein Haar zu einer annehmbaren Frisur mit Scheitel zu kämmen, zog Jeans und ein kariertes Baumwollhemd an und ging nach unten, um seine verschmutzten Stiefel zu putzen. Als das Leder glänzte, stellte er sie neben die Tür und ging in Strümpfen in die Küche, um hier Ordnung zu schaffen. Das Geschirr kam in die Spülmaschine, die Lebensmittel in den Kühlschrank und der restliche Kaffee in den Ausguss. Sonntags kam Linda nicht, da musste er selbst für Ordnung sorgen, vor allem, wenn er Andrea mit hierher bringen sollte. Seinen schönen Tagesplan musste er ändern, aber er hoffte, dass die Frau Verständnis dafür haben würde. Zu dumm, dass er sie so wenig kannte. Er sah sich noch einmal um, aber was er sah, gefiel ihm, und weshalb sollte sich Andrea nicht für ein paar Stunden hier wohl fühlen?
Er zog die Stiefel an, steckte die Hosenbeine in die Schäfte und schloss die Tür ab. Er würde Fenstergitter einbauen lassen, das musste er gleich morgen in die Wege leiten. Niemals hätte er erwartet, hier mit solchen Problemen konfrontiert zu werden. Aber er würde den Schmied darum bitten und daraus einen so großen Auftrag machen, dass der Rest des Geldes für Lindas neue Zahnprothese reichte. Das hatte er sowieso vor, und damit hätte er der jungen Frau auch gleich geholfen.
Andrea freute sich. Der Tag versprach schön zu werden. Als sie zum Frühstück in die Wirtsstube kam, war der Tisch bereits für sie gedeckt, und die nass gewordene Kleidung von gestern lag gewaschen und gebügelt auf einem Stuhl. Auf der Lehne hing Ryans Blazer und sah aus wie neu. Andrea bedankte sich bei der Wirtin. »Wie haben Sie das bloß alles über Nacht geschafft?«
»Ach, das war halb so schlimm. Die Jacke ist von feinster Qualität, das merkt man sogar bei der Reinigung.«
Andrea spürte, dass die gute Frau mit dem Problem der wertvollen Puppe, dem guten Tweedjackett und einem simplen Schäfer noch nicht fertig war, aber sie hatte keine Lust, sich oder Ryan zu rechtfertigen und genoss Kaffee, frische Brötchen, selbst gemachte Butter und Quittenmarmelade. Dann lief sie zurück in ihr Zimmer, legte die gebügelten Sachen in den Schrank, nahm die Fototasche, in der auch ihre persönlichen Sachen untergebracht waren, und ging wieder nach unten. Pünktlich um zehn Uhr fuhr Ryan mit dem Landrover vor. Andrea freute sich, ihn wieder zu sehen. Er war ein stattlicher, gut aussehender Mann, der da selbstbewusst und adrett, wenn auch einfach in schilfgrüne Jeans und Buschhemd gekleidet, die Wirtschaft betrat. Amüsiert sah sie zu der Wirtin hinüber, die Gläser putzend hinter ihrer Theke stand und keinen Blick von dem Fremden ließ. Sie nahm den Blazer von der Lehne und reichte ihn Ryan.
»Er ist wieder wie neu. Mrs Jackson hat ihn gereinigt und gebügelt. Sie ist ganz begeistert von der Qualität«, fügte sie leicht ironisch hinzu.
Ryan nahm die Jacke, hing sie über die Schultern, blickte die Wirtin an und erklärte: »Das Beste ist immer das Billigste, weil es ein Leben lang hält. Ich habe da so meine Prinzipien«, und zu Andrea gewandt: »Können wir
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