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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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Domizil und den Genuss wundervoller Ferien in jedem Jahr.

VIII
    Ryan stand früh auf an diesem Morgen. Es wurde gerade hell, als er sich sein Frühstück machte und die Hunde versorgte. Die Tiere waren unruhig, Ryan konnte aber nicht feststellen, was sie wirklich wollten. Sie drängten weder zur Tür, noch blieben sie auf ihren Decken liegen. Schnüffelnd liefen sie hin und her, auch nach oben, kamen aber wieder herunter und blieben schließlich neben ihm sitzen, während er sein Rührei mit Speck und ein paar Scheiben Brot dazu aß. Er freute sich auf diesen Tag. Er wusste, wohin er mit Andrea fahren würde, was er ihr zeigen wollte und wo er mit ihr mittags essen konnte. Das Wetter war gut, der Himmel klar, und die Sonne, die ihre ersten Strahlen über die Hügelkuppe schickte, versprach einen warmen Tag.
    Er ging nach draußen und sah sie sofort. Am Türgriff seines Landrovers hingen drei Kadaver: die Kaninchen, die er vor einer Woche geschossen hatte und die dann verschwunden waren. Sie befanden sich in einem Ekel erregenden Zustand der Verwesung. Bevor er sich dem Fahrzeug näherte, ging er zurück und steckte den Revolver in den Gürtel. Er hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, aber er wollte vorsichtig sein. Und dann fiel ihm ein, dass bei dem Schafstöter weder sein Gewehr noch die Munition gefunden worden waren. Und der Alte stritt energisch ab, jemals ein Gewehr besessen zu haben. Ryan, immer noch etwas entfernt von seinem Wagen, dachte daran, dass niemand wirklich nach seiner Büchse gesucht hatte, auch er selbst nicht. Was zum Teufel hatte das alles zu bedeuten? Gestern Abend diese aufdringliche Frau, jetzt die toten Karnickel und das noch immer verschwundene Gewehr.
    Er ging langsam um das Haus, die Hunde neben sich. Ryan prüfte alle Fenster und den Hintereingang. Alles war verschlossen, nirgends fand sich die Spur eines Einbruchs. Der Schafstöter saß in Glasgow in Untersuchungshaft, er konnte unmöglich hier wieder aufgetaucht sein. Ryan ging zurück ins Haus, untersuchte die Einrichtung, den Gewehrschrank und die Schublade mit der Munition, aber er konnte nichts finden, was auf einen erneuten Einbruch hingewiesen hätte.
    Schließlich machte er sich auf den Weg zu seiner Herde. Die Schafe drängten heraus aus dem Pferch, aber Ryan wollte unbedingt kontrollieren, ob alle Tiere vorhanden und auch unversehrt waren. Er öffnete nicht das breite Gatter, sondern ein kleines Tor mit eingezäuntem Gang, aus dem sonst die Schafe getrieben wurden, wenn sie auf den Transporter verladen wurden. So konnte er sie einzeln sehen und zählen. Die Hunde, die inzwischen über den Zaun gesprungen und im Pferch waren, trieben die Tiere langsam auf ihn zu, und ein Schaf nach dem anderen lief an ihm vorbei. Alle schienen in Ordnung zu sein. Ryan fand keine Verletzung, und auch die Zahl stimmte. Er rief die Hunde und bedeutete ihnen, dass sie die Herde zum Haus treiben sollten. Er wollte die Tiere in der Nähe haben, und um das Haus herum mussten sowieso die Flächen abgeweidet werden.
    Langsam folgte er den Tieren und überlegte, was er machen sollte. Er wollte sich nicht für mehrere Stunden entfernen, das stand fest. Er musste das Haus und die Tiere im Blick behalten. Er konnte aber auch nicht gut Anzeige erstatten, wenn alles in Ordnung war – bis auf die Kaninchenkadaver natürlich, aber da würde man wohl annehmen, irgendjemand habe ihm einen schlechten Streich spielen wollen.
    Ryan setzte sich für eine Weile auf die Bank vor seinem Haus und sah den Schafen zu. Dick und fett waren sie geworden, und auch die Wolle der Lämmer hatte sich gut entwickelt. Hin und wieder kam ein neugieriges Tier zu ihm, stieß ihn mit dem schwarzen Kopf an und lief wieder davon, sobald einer der Hunde in die Nähe kam. So ein friedlicher Morgen, dachte Ryan, so ein wunderschöner, friedlicher Morgen, und dann sah er hinüber zu seinem Wagen, und ein leichtes Grauen zog ihm über den Rücken. Was hatte das bloß zu bedeuten? Irgendeinen Grund musste ein Mensch doch haben, der drei Kaninchen stahl, sie aufbewahrte, bis sie vergammelten, und dann die Kadaver wieder zurückbrachte. Und vor allem, wer war es? Die Hunde hatten nicht gebellt, sie interessierten sich auch nicht sonderlich für die Kadaver oder für mögliche Spuren rund um den Wagen. War es jemand, den sie kannten? Jemand, mit dem er selbst sie bekannt gemacht, den er als Freund bezeichnet hatte? Ryan stand auf und ging noch einmal um das Haus herum und dann hinauf zu

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