Schottische Disteln
hierher kommen, wenn die Frage erlaubt ist, Sir? Ich meine, damit ich ein Zimmer richten kann.«
»Ich weiß es nicht, James, und ich weiß auch nicht, ob sie hierher kommen will, aber ich sage früh genug Bescheid.«
James zog sich zurück, und Ryan sah hinaus auf den Fluss, in dem sich die ersten Sonnenstrahlen spiegelten. Er wusste tatsächlich nicht, wie es weitergehen würde. Dass er Andrea mit nach Aberdeen genommen hatte, war selbstverständlich gewesen und auch richtig, was sie aber plante, wenn sie die Klinik verließ, davon hatte er keine Ahnung. Würde sie zurückgehen nach Hamburg und an ihrer Fotokarriere weiterbasteln, oder würde sie sein Angebot mit den Antiquitäten ernsthaft in Erwägung ziehen?
Dann hatte er eine Idee. Er sah auf die Uhr. Noch nicht einmal sieben, nein, das war zu früh, um einen Juwelier anzurufen. Ryan machte sich eine Notiz. Bei dem Desaster in der Firma würde er den Anruf sonst vergessen, und das wäre schade. Vielleicht hing sogar ein Stückchen Zukunft von diesem Anruf ab.
Später, in der Hektik der Konferenzen und Gespräche, fiel ihm der Zettel wieder in die Hände. Er rief Danny, eine der beiden anderen Sekretärinnen, in sein Büro und bat sie, ihn mit dem besten Juwelier der Stadt zu verbinden. Er hatte keine Ahnung, welcher Juwelier infrage kam, er hatte keine Erfahrung mit dem Kauf von Schmuck und sagte sich, der beste wäre der richtige. Als er den Geschäftsinhaber schließlich am Telefon hatte, bestellte er einen Armreifen aus Platin, den rundherum Disteln aus Emaille schmücken sollten.
»Ein so ausgesuchtes Schmuckstück müssten wir anfertigen, Mr McGregor.«
»Selbstverständlich. Ich möchte ein Designerstück und keine Dutzendware.« Ungeduldig spielte er mit dem Kugelschreiber.
»Wie viel Zeit haben wir für diesen Auftrag?«
»Gar keine. Setzen Sie Ihre besten Leute sofort daran. Machen Sie einen Entwurf, den ich heute Mittag sehen kann, und machen Sie sich an die Arbeit, sobald ich mein Okay gebe.« Ryan machte sich ein paar Notizen.
»Haben Sie einen besonderen Wunsch, der berücksichtigt werden soll?«
»Der Reif muss etwa zwei Zentimeter breit und sehr filigran sein, die naturfarbenen Disteln sollten zart hineingearbeitet werden. Aus Platin muss es sein, weil das am besten zum Silbergrün der Distelstiele passt.«
Der Juwelier wusste, dass es unmöglich war, einen McGregor zu fragen, welcher Preis ihm vorschwebte, er wusste aber auch, dass dieser Schmuck ein Vermögen kosten würde. So beschloss er sehr diplomatisch, dem Entwurf, wenn er bis Mittag fertig werden sollte, eine diskrete Preisangabe beizulegen. Er würde persönlich auf die Werft fahren und mit dem Industriellen sprechen, einen solchen Auftrag würde er auf keinen Fall einem anderen überlassen, denn er ging davon aus, dass diesem Schmuckstück andere folgen würden, vorausgesetzt, es entsprach den Erwartungen.
Die nächtlichen, trotz der Hektik aber gründlich vorgenommenen Untersuchungen hatten in keinem Fabrikationszweig der Werft Verfehlungen im Bereich des Umweltschutzes aufgedeckt. Man hatte alle infrage kommenden Abteilungen von mehreren Seiten aus untersucht, in aller Eile Experten anderer Unternehmen hinzugezogen und weder eine Verfehlung noch irgendwelche Schlamperei festgestellt.
»Wer immer uns eins auswischen will, hat einfach Behauptungen aufgestellt, die in keiner Weise zutreffen«, erklärte Generaldirektor Charles Needs seinen Mitarbeitern, »und wenn man die einzelnen Vorwürfe Punkt für Punkt durchgeht, dann stellt man fest, dass diese hyperaktiven Umweltschützer sich da eine Liste zusammengebastelt haben, die einfach alle jemals erhobenen Vorwürfe aus welchen industriellen Bereichen auch immer beinhaltet. Nichts, aber auch gar nichts betrifft unsere Werft.«
Ryan, der bis dahin wortlos zugehört hatte, stand jetzt auf und erklärte: »Wir haben die Vorwürfe, wir haben unsere Vermutungen, und wir haben die Berichte unserer Experten. Was wir nicht haben, sind Beweise, weshalb man uns diese schmuddeligen Geschichten unterschiebt. Wir müssen uns also weiterhin verteidigen, ohne irgendeine Schuld zu haben. Wie werden Sie sich, meine Herren, in der gleich beginnenden Pressekonferenz verhalten?«
Schulterzucken, wenige, unkonkrete Wortfetzen und ein unentschlossenes Gemurmel waren die Antwort auf seine Frage. Charles bat um Ruhe. »Ich schlage vor, wir präsentieren die Untersuchungsergebnisse der letzten Nacht, die wir jetzt vorliegen haben. Ob man uns
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