Schottische Disteln
den Dee von dort aus?«
»Ja, er fließt nicht weit entfernt von uns nach Osten, und wenn er Hochwasser führt, dann reichen die braunen Fluten fast bis an die Terrassen.«
»Braunes Wasser?«
»Ja, das kommt vom vielen Torf im Land, durch das er fließt.«
»Es muss ein schönes Haus sein.«
»Es ist wunderschön, und ich könnte mir denken, dass es dir gefällt. Mr McGregor hat einen sehr guten Geschmack, und er wird dir alles zeigen wollen. Und dann musst du kommen, und wir sehen uns wieder.«
Wenig später wurde das Frühstück gebracht, und danach kamen einzelne Schwestern und Ärzte, um sich zu verabschieden. Die Visite bei Professor McAllan hatte Andrea gestern gehabt. Er war zufrieden, machte aber deutlich, dass sie sich unbedingt schonen musste, und gab ihr Anweisungen für die Nachbehandlungen in Inverness mit.
»Später werden wir ein paar kosmetische Operationen vornehmen, ein paar Hautverpflanzungen, aber das hat noch Zeit. Erst einmal müssen Sie sich gründlich erholen, auch von dem seelischen Schock, dann sehen wir weiter.«
Andrea hatte genickt, jetzt wollte sie nichts weiter, als das Krankenhaus verlassen und erst einmal in den Hügeln tief Luft holen und möglichst viel vergessen.
Endlich kam Ryan, um sie abzuholen. Sie hatten zwar neun Uhr vereinbart, aber die Zeit war ihr lang geworden. James war mitgekommen und brachte ihr Gepäck zum Wagen, und Mary würde mit ihm zurück in das Haus am Dee fahren.
Die zweite Überraschung an diesem Morgen war Ryans Wagen. Er war mit dem Jaguar gekommen, weil er ihr eine bequeme Fahrt in einem bestens gepolsterten Sitz ermöglichen wollte. Sie kannte ihn nur im verschmutzten Landrover und war leicht schockiert über den Unterschied. Ryan selbst war keine so große Überraschung. Er hatte grüne, an den Knien und am Gesäß blank gescheuerte Cordhosen an, dazu ein grünes Hemd im Schottenmuster, und trug einen farblich abgestimmten Pullover über der Schulter.
»Ein bisschen siehst du so aus wie damals, als ich dich kennen gelernt habe.«
»Wir fahren in die Highlands, Andrea, und ich möchte auch vermeiden, dass Mrs Jackson in Ohnmacht fällt, wenn sie mich sieht.«
Andrea lachte laut. »Und was, meinst du, denkt sie, wenn sie dein Auto sieht?«
»Es lässt sich nicht vermeiden, wenn sie dann umkippt. Aber wir können es ja hinter der Ecke parken. Weißt du, die Ecke, die nicht einsehbar ist.«
»Ich erinnere mich sehr genau an die Ecke.« Andrea grinste und dachte an den Kuss von Ryan, den sie dort bekommen hatte. »Eine sympathische Ecke«, nickte sie.
Ihr Gepäck wurde in einen zweiten, kleineren Wagen geladen.
Zwei Männer standen daneben und sahen zu ihr herüber. »Wer sind diese Leute?«
»Bodyguards.«
»Bodyguards?«
»Ja, die Firma verlangt, dass sie mich auf Schritt und Tritt begleiten, es wurde nach diesem Problem mit den Umweltschützern und dem verrückten Schafstöter vertraglich festgelegt. Leider, aber ich kann es nicht ändern. Sie sind aber sehr diskret.«
»Na ja, das kann ich irgendwie verstehen. Sind sie auch diskret in Bezug auf eine bestimmte Hausecke in Tradespark?«
»Da ganz besonders.« Ryan freute sich, dass Andrea ihren Humor wieder gefunden hatte. Sie war ein so fröhlicher, optimistischer Mensch, es wäre traurig gewesen, wenn ihre Seele einen unheilbaren Schaden genommen hätte.
»Das Auto ist übrigens der Firmenwagen, den du benutzen kannst. Ich habe ein wendiges, leicht zu fahrendes Fahrzeug gewählt, weil du wahrscheinlich viel auf kleinen Landstraßen unterwegs sein wirst.«
»Danke, du denkst wirklich an alles.«
»Komm, steig ein, einer muss sich schließlich um dich kümmern.«
»Aber nicht mehr lange, Ryan.«
»Ja, leider, ich weiß, die eigenen Füße und ähnliche Dinge ...«
Andrea setzte sich in den Wagen. Vor dem Eingang standen ein paar Leute und winkten. Sie winkte zurück, und mit leisem, behaglichem Schnurren setzte sich das schwere Cabriolet in Bewegung.
Die nächste Überraschung dieses Tages war die Route, die Ryan einschlug. »Ich dachte, ich zeige dir etwas vom Land, bevor wir an die Küste fahren. Der Tag ist wie gemacht dafür.«
Dankbar kuschelte sich Andrea in den Sitz. Mary hatte ihr eine Schirmmütze aus Tweed besorgt, die den Kopf vor dem Wind schützte, und da James ihr vor ein paar Tagen den eigenen Koffer, der bei Ryan abgestellt worden war, mitgebracht hatte, konnte sie sich mit Hosen, Bluse und Pulli passend für die Autotour anziehen, nicht ahnend natürlich, dass
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