Schottische Engel: Roman (German Edition)
auf meine Kosten, schließlich mussten Sie unseretwegen so lange warten.«
Eine Stunde später konnte der Abend der Gefühle beginnen, von dem Mary und David, jeder für sich natürlich, schon lange und heimlich geträumt hatten.
Mary, ohne große Erfahrung im Umgang mit dem männlichen Geschlecht, bewunderte David, der so überlegen wirkte und so selbstsicher auftrat. Sie genoss es, von einem so berühmten und erfahrenen Mann beachtet zu werden. Zunächst war es wohl das schlechte Gewissen nach dem Unfall, das ihn beschäftigt hatte, aber dann war etwas hinzugekommen, das mehr war, das eine vertrauliche Basis schuf, eine gegenseitige Anerkennung, aus der schließlich Zuneigung wurde. Sie erinnerte sich an die wenigen, aber intensiven Gespräche, die sie in ›Lone House‹ hatten und die zu einer Veränderung in ihrer eher kühlen Beziehung führten. Damals hatte David sich geöffnet, Wünsche geäußert und Hoffnung geweckt. Aber immer wieder waren sie gestört worden, konnten keine wirkliche Freundschaft aufbauen und in Ruhe ihre Gefühle sprechen lassen.
Auch auf dieser Reise war sich Mary nicht sicher, ob David sie nur als Mitarbeiterin brauchte oder als Frau, die ihm nahestehen durfte. Mary war zu scheu, um ihre Gefühle offen zu zeigen, und wenn sie an diese Gefühle dachte, dann war es immer wieder die Bewunderung, die sie für ihn empfand. Aber genügte Bewunderung, um eine intime Beziehung aufzubauen? Sie sehnte sich nach einem Mann, der ihr Geborgenheit gab, der mit zärtlichen Händen ihren Körper in Aufruhr versetzte und mit seiner ruhigen Stimme Sicherheit versprach. Sie wusste, dass David zur Erfüllung all dieser Wünsche fähig war, aber sie wagte nicht, sie zu äußern. Sie war höflich und hilfsbereit selbst wenn es um dieses Problem mit der Tochter ging –, aber sie zeigte nicht, wie sehr sie diesem Mann zugetan war.
Das Abendessen zu dritt war beendet. Walter Perband verabschiedete sich und ließ sich vom Servicemann zu seinem Zimmer führen, nachdem dieser ihm versichert hatte, dass er Miss Barkley nicht auf dem Korridor treffen würde. David stand auf, verschloss die Türen, die zu ihren Suiten führten, und stellte die Telefone ab. Lächelnd nickte er Mary zu. »Endlich allein. Heute möchte ich wirklich nicht mehr gestört werden.« Er reichte ihr die Hand, half ihr beim Aufstehen und führte sie zum Fenster. »Als wir gestern hier standen, waren wir glücklich, freuten uns auf einen schönen Spaziergang und einen geruhsamen Abend. Heute stehen wir hier, schauen dem Regen zu und wissen nicht, wie es mit uns weitergehen soll. Ich weiß, dass ich dich sehr enttäuscht habe, und ich weiß nicht, wie ich das wiedergutmachen soll.«
Mary schaute zu ihm auf. »David, meine Gefühle für dich haben sich nicht geändert.«
»Aber was sind das für Gefühle? Sag mir die Wahrheit, Mary, bitte.«
Genau das hatte sie befürchtet. Gefühle in Worte zu fassen, war eine der schwersten Aufgaben, die sie sich vorstellen konnte. Worte waren so profan, konnten so kühl wirken und so gefühllos.
Er griff nach ihrer Hand. »Ist es so schwer, mir die Wahrheit zu sagen?«
»Ja, David. Gefühle sollten leben und nicht zerredet werden.« Sie nahm seinen Arm und legte ihn um ihre Schulter. »Gefühle muss man spüren, alles andere kommt dann von allein.«
Als hätte er nur darauf gewartet, nahm er sie in seine Arme, drückte sie an sich und flüsterte: »Halt mich fest, Mary, ich brauche dich.«
In seinen Armen gab sie sich endlich ihren Empfindungen hin. Sie spürte seinen kraftvollen Körper durch die Kleidung hindurch, seinen Herzschlag, der so kräftig war, und seinen Atem in ihrem Haar. Sie fühlte seine starken Hände auf ihrem Rücken und endlich seine Lippen, die ihr Gesicht streichelten. Und mit einem Mal zog Ruhe in ihr Herz ein. Zufriedenheit erfüllte sie, und alle Anspannung wich aus ihrem Körper. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und schloss die Augen. ›So sollte es immer sein‹, dachte sie und seufzte vor Glück. Sie fühlte sich frei und leicht und voller Verlangen. Sie ließ ihre Hände auf seinem Rücken emporgleiten, bis sie seine Schultern erreichten, und strich mit ihren Lippen über sein Kinn, auf dem schon wieder raue Bartstoppeln wuchsen. Nur einen Hauch von seinem Mund entfernt, flüsterte sie: »Ich brauche dich doch auch.«
David vermochte sein Verlangen kaum noch zu unterdrücken.
»Bist du dir ganz sicher, Mary?« Seine Stimme klang heiser.
»Ja, denn Gefühle
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