Schottische Engel: Roman (German Edition)
wir weiter«, grinste er und verschwand im Bad, kam aber gleich darauf zurück. »Ich denke, ich gehe besser in meine eigene Dusche, denn mit dem Rasierzeug hapert es bei dir.« Und schon war er in der Suite nebenan verschwunden.
Mary vertiefte sich wieder in ihre Notizen. Sie hatte das Romanmanuskript neben sich liegen und überlegte: ›Mit den Hamburger Verhältnissen wird es nicht so schwer, aber wenn wir venezianisches Milieu brauchen, bekommen wir Probleme. Da der Roman in Hamburg und Venedig zu gleichen Teilen spielt, kommt David nicht drum herum, venezianische Requisiten zu besorgen, und das wird von hier aus kaum möglich sein.‹
»So, mein Schatz, ich bin fertig, und ich habe einen Mordshunger. Wollen wir hier oben frühstücken oder unten im Restaurant?«
Mary legte ihre Papiere zur Seite. »Ich würde lieber hier oben bleiben. Unten treffen wir mit Sicherheit diese aufdringliche Dame von gestern Abend.«
»Das ist richtig. Also bestelle ich das Frühstück hierherauf. Hast du besondere Wünsche?«
»Ich hätte gern einen frisch gepressten Orangensaft und knuspriges Toastbrot.«
»Ist das alles?«
Mary lachte. »Na ja, es wird schon noch ein bisschen drumherum geben. Und Kaffee hätte ich auch gern.«
David ging in seine Suite und bestellte das Frühstück. Dann setzte er sich zu Mary und las ihre Notizen. »Du bist sehr gründlich, mein Liebes.«
Mary nickte ernsthaft. »Ich denke, je besser die Vorbereitung ist, umso einfacher sind nachher die Ausführungen. Aber es wird trotzdem Probleme geben.«
»Wie meinst du das?«
»Nun, sieh mal, wir bekommen zwei Rokokostühle von Herrn Möller, wir brauchen aber für den Festsaal mindestens zwölf.«
Die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht. »Du nimmst die Dinge zu ernst, Mary, du kennst die Gepflogenheiten der Filmarbeit noch nicht. Zwei Stühle in zwölf zu verwandeln ist eine der kleinsten Aufgaben beim Dreh. Schwieriger wird es bei den Außenaufnahmen. Wir müssen unbedingt den Jungfernstieg in die Aufnahmen einbeziehen. Vor fast zwei Jahrhunderten war er eine zauberhafte, mit Bäumen und Blumen bepflanzte Flaniermeile mit einer einzigen Fahrspur für Kutschen, heute ist er eine graue, vierbahnige Betonmeile ohne Flair und Atmosphäre, bei der die Fußgänger auf Zebrastreifen und Ampeln angewiesen sind, um ihn zu überqueren.«
»Aber wie willst du ihn zurückverwandeln?«
»Mithilfe von alten, kolorierten Zeichnungen von damals und mithilfe der Kulissenbauer natürlich. Irgendwie kriegen wir den Dreh schon hin.«
Sie lachte. »Und wie drehst du den Dreh mit den Stühlen?«
»Die beiden echten Stühle stehen vorn, werden oft und gern gezeigt, alles, was danach kommt, wird nur so ähnlich sein und keiner Nahaufnahme standhalten. Ein Schreiner zaubert im Handumdrehen zwölf Stühle in den Raum. Vieles ist Kulisse, Mary, nur erkennen darf man es nicht.«
»Und man sieht keinen Unterschied?«
»Garantiert nicht, mein Liebes.«
An der Tür klopfte es. »Ich bin es, der Etagenkellner.«
»Kommen Sie herein.« David schloss die Tür auf, und der Kellner schob einen reich gedeckten Frühstückstisch in den Salon. »Bitte, mein Herr, meine Dame, und guten Appetit.«
»Danke, das ist für Sie.« David reichte dem Mann einen Schein, und Mary freute sich, dass David nicht kleinlich war und an die miesen Gehälter der Hotelangestellten dachte.
Sie stand auf und stellte zwei Stühle an den Tisch. Dann hob sie die Deckel von den warmen Gerichten und die Deckchen von den Tellern und Körben. »Meine Güte, David, hier fehlt nichts von dem, was wir am Büfett gefunden hätten. Es ist einfach alles da. Vom Obst bis zum Rührei, von den Konfitüren bis zum geräucherten Fisch ist alles vorhanden.«
»Liebling, wir sind im besten Haus am Platz, was hast du denn gedacht, was man uns zum Frühstück serviert?« An der Tür klopfte es wieder. In der Annahme, dass der Kellner noch etwas vergessen hatte, öffnete David, und vor ihm stand Joan Barkley.
»Ich sah, wie der Kellner das Frühstück brachte, da habe ich mir gesagt, warum soll ich ins Restaurant gehen, wenn ich es hier so bequem zu mir nehmen kann. Darf ich eintreten?«
»Nein. Du störst. Wir müssen arbeiten.«
»Hm, das sieht hier aber gar nicht nach Arbeit aus, und es duftet bis auf den Flur. Du willst mir doch nicht weismachen, dass du den Tag mit Arbeit beginnst und nicht mit Köstlichkeiten zum Frühstück.« Sie versuchte, sich an David vorbeizuzwängen und die Suite zu
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