Schottische Engel: Roman (German Edition)
Er führte den Lord zu einem Lift und zwei Etagen höher auf eine lichtdurchflutete Station. In einem Vorraum musste David einen weißen Kittel, eine Haarhaube und ein Paar Klinikschuhe anziehen. »Wir betreten jetzt die Intensivstation, da haben wir unsere Vorschriften und dürfen keine Ausnahmen machen.«
»Selbstverständlich.«
Leise sprechend, fuhr Wallance fort: »Ich weiß nicht, in welcher Beziehung Sie heute zu der Dame stehen, dass sie die Mutter Ihrer Tochter ist, haben wir inzwischen festgestellt, das mussten wir, um Ihre Identität zu prüfen, Lord McClay. Ich hoffe, Sie verstehen das.«
»Ja, natürlich. Eine engere Beziehung zwischen uns gibt es nicht mehr, aber um des Kindes willen habe ich den Kontakt aufrechterhalten.«
»Und wo ist das Kind heute?«
»Ich habe es sofort zu mir geholt. Bei entsprechenden ärztlichen Auskünften, wenn es also notwendig wird, das Kind für immer bei mir zu haben, werde ich das Sorgerecht beantragen. Andere Verwandte hat meine Tochter nicht.«
»Miss Barkley ist nach wie vor bewusstlos. Irgendwann wird die Ohnmacht in ein Koma übergehen, und alles, was ich voraussagen kann, ist ein Wachkoma, in das sie irgendwann fallen wird – wenn sie überlebt.«
»Kann ich sie sehen?«
»Durch eine Glasscheibe. Aber Sie werden sie nicht erkennen, der Kopf ist vollkommen bandagiert, sie wird künstlich beatmet und künstlich ernährt. Die Rippenbrüche, die Wirbelsäulenfraktur und die Prellungen haben wir behandelt, so weit das möglich war.«
David McClay war entsetzt. »Mein Gott, so schlimm habe ich mir das nicht vorgestellt.«
»Sie ist fast zwanzig Meter in die Tiefe gestürzt, Sir.« Wallance führte den Lord über einen langen Korridor, dann blieb er neben einer gläsernen Wand stehen. In dem Raum stand ein Bett, es war von zahlreichen Apparaten umgeben. Eine Schwester kontrollierte die Instrumente, und auf dem Bett lag eine von Tüchern umhüllte Person.
Zutiefst schockiert starrte David auf die regungslose Gestalt. »Wir haben uns viel gestritten, vor allem um das Kind, aber diesen Zustand hätte ich ihr niemals gewünscht. Das ist ja furchtbar. Hat sie Schmerzen, kann ich irgendetwas für sie tun?«
»Sie hat keine Schmerzen, sie spürt gar nichts, Sir, vielleicht wird das später anders, aber das müssen wir abwarten. Noch wissen wir ja nicht einmal, ob Miss Barkley das alles überlebt. Sie können im Augenblick nichts tun. Sie hat eine Versicherung, die für die Kosten aufkommt, und später, wenn es eine Zukunft für die Frau gibt, wird sie ein lebenslanger Pflegefall sein. Dann wird sie vielleicht Ihre Hilfe brauchen.«
»Ja, natürlich.«
»Professor Lloyd, er ist der Chef dieser Klinik, und ich werden Ihnen alle notwendigen Papiere für die Beantragung des Sorgerechts ausstellen. Wenn Sie mir bitte in mein Büro folgen wollen?«
Sie gingen zurück, David entledigte sich seiner Schutzkleidung und folgte dem Arzt. »Bitte nehmen Sie Platz, Sir. Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
David schüttelte den Kopf. »Danke, nein, ein Whisky wäre das Einzige, was mir jetzt helfen könnte.«
»Das kann ich verstehen, natürlich bekommen Sie einen Whisky.«
Er entnahm einem Schrank eine Flasche und zwei Gläser, füllte die goldene Flüssigkeit ein und reichte David ein Glas. »Bitte, auch wir Ärzte haben manchmal so einen Schluck nötig. Und da ich jetzt Feierabend habe, genehmige ich mir einen.« Die beiden Männer nickten sich zu. Dann fragte Wallance: »Sie sind der Lord, für den mein Freund Grantino vor ein paar Wochen eine junge Dame ärztlich versorgt hat?«
»Ach? Ja! Doktor Grantino ist ein Nachbar von mir. Wie geht es ihm? Ich habe seit damals nichts von ihm gehört.«
»Danke, es geht ihm gut. Er ist gerade nach Brasilien zurückgekehrt und will nun dort als Arzt in einem Urwaldcamp leben. Er hat mir gerade zum ersten Mal geschrieben und berichtet, dass er heiraten wird.«
»Dort, im Urwald?«
»Ja, er hat sich seine zukünftige Frau aus Schottland mitgenommen.«
»Das Leben in einem Urwaldcamp dürfte eine große Umstellung für eine Schottin sein.«
Wallance lächelte: »Das dürfen Sie glauben. Zumal die Dame hier in den allerersten Kreisen verkehrte.« Er war froh, den Lord etwas abgelenkt zu haben, und erzählte: »Die Liebe kann Berge versetzen und hat aus einer feinen Dame eine erstklassige Krankenhelferin gemacht, die zuerst nur aus Angst vor Schlangen und Spinnen und Skorpionen bestand und heute allein durch den Urwald marschiert, um
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