Schottische Engel: Roman (German Edition)
kranken Kindern vereiterte Wunden auszuwaschen. Jedenfalls steht es so in seinem Brief.«
»Liebe, die Berge versetzt«, seufzte David, »schön muss das sein.«
»Ach, Sir, man muss eben auch mal an Wunder glauben.« Danach schenkte Wallance noch einmal Whisky in die Gläser. »Auf die Wunder im Leben, Sir.«
Die beiden Männer stießen an, und David verabschiedete sich. »Würden Sie mir die erforderlichen Papiere für die Beantragung des Sorgerechts zuschicken? Ich bin viel unterwegs.« Er reichte Wallance seine Visitenkarte.
»Selbstverständlich. Darf ich Sie noch etwas fragen, Sir?« »Natürlich.«
»Was ist eigentlich aus dem alten Engel geworden, für den sich mein Freund damals eingesetzt hat?«
»Er war eine Fälschung, aber der echte ist jetzt im Museum, ich werde ihn gleich besuchen.«
»Den Engel?«
»Und die Dame, die ihn schließlich gefunden hat.«
»Hat das etwas mit Wundern zu tun, auf die wir angestoßen haben?« Wallance schmunzelte.
»Sie sagen es, Doktor.«
David McClay bat seinen Chauffeur, ihn ins ›Museum of Art History‹ zu fahren. Als er die breiten Eingangsstufen hinaufstieg, kam ihm der Pförtner entgegen, um das Portal zu verschließen. David hielt ihn kurz auf. »Verzeihen Sie, ich wollte zu Miss Ashton, wissen Sie zufällig, ob sie noch im Hause ist?«
»Miss Ashton hat das Haus vor einer halben Stunde verlassen.«
»Danke.« David kehrte zum Wagen zurück. »Sie ist schon fort, fahren wir zu ihrer Wohnung.«
Mühsam suchte sich Drumworld den Weg durch die von der Rushhour verstopften Straßen. Endlich hielten sie vor dem mehrstöckigen Haus, in dem Mary wohnte. Aber auf ihr Klingeln antwortete niemand.
»Sie ist noch unterwegs«, sagte David und setze sich wieder in den Wagen. »Warten wir hier, irgendwann wird sie schon kommen.«
Mary war mit dem Bus auf dem Heimweg. Auch der steckte in den Staus der Rushhour fest. Schließlich stieg sie aus, um den Rest des Weges zu Fuß zu gehen. Dabei kam sie am Café ›Vanini‹ vorbei.
Antonio, der Kellner, stellte Tische und Stühle zusammen.
Bei dem Wetter würde niemand mehr draußen sitzen wollen. »Hi, Mary«, begrüßte er die junge Frau, »wieder einmal im Land?«
»Ja«, lächelte Mary, »ich hatte viel zu tun in letzter Zeit.«
»Also keinen Bedarf an der Morgenzeitung und den Jobinseraten?«
»Im Augenblick nicht, Antonio.«
»Kann ich dich denn wenigstens mit einem Capuccino verwöhnen?«
»Aber immer.« Sie folgte dem Kellner in das Lokal. Nichts hatte sich verändert. Ein paar einsame alte Männer vertrödelten die Zeit und diskutierten die Rattenplage in Balmoral Castle, die beseitigt sein musste, bevor die Königin ihren jährlichen Schottlandurlaub antrat. Einige wetteten um den Sieger im nächsten Windhundrennen, und zwei waren in die Nachmittagsausgabe der Zeitung vertieft. Alles war wie immer.
›Ja‹, dachte Mary, ›genauso ist mein Leben. Immer dasselbe. Wenn ich jetzt nichts ändere, wird es so bleiben. Will ich das wirklich?‹
Antonio servierte ihr den Capuccino. »Ich habe ihn mit einem Schuss Grappa aufgepeppt, wird dir guttun bei dem Wetter. Warum kommst du nie bei Sonnenschein her?«
Mary lachte. »Dann bekäme ich ja keinen aufgepeppten Capuccino.«
»Und ein krosses Panini von ›Vanini‹, ich weiß doch, dass du unsere Brötchen magst. Hast du heute überhaupt schon zu Mittag gegessen?«
»Nein, ich hatte noch keine Zeit.«
»Hab' ich mir fast gedacht. Und wie geht's dir sonst so? Manchmal kommt dein Malerfreund, der Mark Person, hier vorbei und schaut sich um. Ich glaube, der sucht dich, aber fragen tut er nie.«
»Na ja, die Zeiten ändern sich und die Gefühle auch. Er wollte mich malen, und ich wollte nicht.«
»So, so. Und dann hattest du doch ziemlichen Trubel um das Haus herum wegen irgendeinem Engel.«
»Auch das hat sich erledigt. Du siehst, mit der Zeit regelt sich vieles von allein.«
Ein alter Mann rief nach dem Kellner. »Ich muss was tun, Mary. Ciao, und komm bald mal wieder vorbei.«
Mary stand auf, schob eine Fünfpfundnote unter die Untertasse, weil sie wusste, wie wenig er verdiente, und ging. Der Regen hatte aufgehört, aber die Dämmerung brach bereits herein. ›Bei diesem Wetter wird es so früh dunkel, dass man von einem Frühsommer überhaupt nichts spürt‹, dachte sie, und dann sah sie den Bentley vor ihrer Haustür. Sie erschrak nicht, sie hatte fast damit gerechnet, dass David nicht so schnell aufgeben würde. Und in Gedanken sah sie wieder die
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