Schottische Engel: Roman (German Edition)
Titurenius-Engel steht.«
»Was?«
Bevor James Grantino antworten konnte, klingelte im kleinen Flur das Telefon.
»Entschuldigen Sie bitte einen Augenblick.« Mary stand auf und ging aus dem Zimmer, die Tür ließ sie offen. »Ja, bitte?«, meldete sie sich, und man hörte ihrer Stimme an, dass sie sich gestört fühlte.
»Miss Ashton?«
»Ja, bitte?«
»Hier spricht Christian Södergren, wie schön, dass ich Sie endlich erreiche.«
Mary lachte. »Ja, das ist wirklich ein Zufall, ich bin gerade erst von einer Reise zurückgekehrt.«
»Einer erfolgreichen Reise?«
»Leider nein.«
Das Gespräch ging hin und her. James Grantino stand auf und sah aus der Balkontür auf die Stadt. »Die Primeln brauchen Wasser‹, dachte er, ›aber Miss Ashton war verreist, und anscheinend hat sich niemand um die Balkonpflanzen gekümmert.‹ Er sah sich um, dann ging er in die angrenzende Küche, füllte einen Topf mit Wasser und brachte ihn auf den Balkon. Vorsichtig goss er das Wasser in die Blumenkästen, wischte mit seinem Taschentuch ein paar Tropfen ab, die danebengeflossen waren, und wollte einen zweiten Topf voll Wasser holen. Aber Mary vertrat ihm den Weg in die Küche. »Halt, die müssen noch einen Augenblick warten, erst müssen Sie mir verraten, was Sie über den Engel wissen.«
Aber Grantino schüttelte den Kopf. »Erst die verdurstenden Blumen, dann der Engel.« Energischen Schritts ging er an Mary vorbei, füllte den Topf noch einmal und begoss auch die restlichen Blumen.
Er stellte den Topf zurück in die Spüle, trocknete sich die Hände an seinem Tuch ab und setzte sich wieder in seinen Sessel.
Lächelnd und zufrieden sah er Mary an. »Ich bin Ihrem Titurenius-Engel begegnet.«
»Wann, wo, wie sah er aus?«
»Er sah alt, verwittert ... eigentlich sah er nicht besonders gut aus. Abgenutzt ist das richtige Wort. Farbe war kaum noch zu erkennen.«
»Er ist alt, er ist uralt. Und wo, um Himmels willen, haben Sie ihn gesehen?«
»Ich war zu einer Vernissage eingeladen. Ein reicher, alter Mann, ein sehr reicher, alter Mann hatte zu einer Ausstellung eingeladen, und ich hatte die Gelegenheit, dorthin mitgenommen zu werden. So bin ich hingefahren und habe den Engel gesehen. Es war ein ziemlich feierlicher Akt, und mir imponierte dieses Gehabe um so eine alte, abgenutzte Holzskulptur.«
»Und wo, bitte, Doktor, spannen Sie mich nicht länger auf die Folter, wo war nun diese Vernissage?«
»Der Mann heißt Södergren und ist ein Ölmilliardär aus Schweden, der hier ein zweites Domizil hat.«
»Södergren«, flüsterte Mary, »Södergren hat uns den Engel weggeschnappt.«
Sie war ganz blass geworden, und Grantino fragte besorgt: »Geht es Ihnen nicht gut, Miss Ashton? Kennen Sie diesen Södergren? Eigentlich ein netter Mann. Sie wissen doch, Geld macht alles möglich, da kann man sogar einem Museum den ersehnten Engel wegnehmen.«
Mary richtete sich gerade auf. »Jetzt brauche ich erst einmal einen Whisky, pur, ohne Wasser und ohne Eis.« Sie wollte aufstehen, aber Grantino drückte sie zurück in ihren Sessel. »Das mache ich, Sie müssen mir nur sagen, wo ich die Flasche und die Gläser finde.«
»Die Flasche steht im Kühlschrank, ich habe ihn gern kalt, aber ohne Eis, und die Gläser finden Sie hier im Schrank. Die Nachricht ist mir richtig in die Beine gefahren. Und Sie glauben, es ist wirklich der Titurenius-Engel, den Sie da gesehen haben?«
»Nach allem, was der Besitzer sagte, kann es sich nur um diese Skulptur handeln.«
»Und dieser sogenannte Besitzer hat mich gerade angerufen, um mich zu bitten, sein neuestes Sammlerobjekt zu begutachten.«
Grantino schenkte den Whisky ein und reichte Mary ihr Glas. »Auf Ihr Wohl, Mary, und auf den Engel. Cheers!« Dann fragte er doch etwas verblüfft: »Sie kennen diesen Södergren?«
»Er war kurz vor meiner Reise nach Dumfries hier und saß genau in Ihrem Sessel.«
»Donnerwetter, ich dachte, solche abgehobenen Gestalten verkehren nur in abgehobenen Kreisen.«
Jetzt lachte Mary – der Whisky hatte ihr gutgetan, und die Lebensgeister kehrten zurück. »Dann zählen Sie mich also nicht zu diesen abgehobenen Kreisen?«
»Nein, auf keinen Fall. Geld bleibt doch immer unter sich, und so, wie ich Sie und Ihre Angst um Ihren Job kennengelernt habe, zählen Sie bestimmt nicht zu den Millionären dieser Stadt.«
»Da haben Sie recht, Doktor.«
»Und warum saß nun dieser Herr Södergren hier in diesem Sessel?«
»Er oder sein Chauffeur hatten, ich
Weitere Kostenlose Bücher