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Schottische Engel: Roman (German Edition)

Schottische Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schottische Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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hatte die Lady nun auch am Telefon hinterlassen. ›Also ist der Boden für mich bereitet‹, dachte er und schmunzelte, als er sich mit einem Glas Maltwhisky in seinen Sessel zurückzog.
    Der Leiter des Museums, dem Södergren durch seine private Sammlung und sein Vermögen durchaus bekannt war, hatte nicht lange gezögert, dem Geschäftsmann Auskunft zu geben. Mehrfach war es schon vorgekommen, dass man Expertisen und Sammlerstücke austauschte oder sich Nachrichten zukommen ließ. Der wohlhabende Södergren galt als kompetent, wenn auch seine Methoden, ein begehrtes Objekt zu bekommen, nicht immer ganz korrekt waren.
    Christian Södergren dachte an sein Gespräch mit dem Chef des Hauses und konnte im Nachhinein eine gewisse Genugtuung nicht verbergen, hatte er doch dem Haus ein wertvolles, sehr begehrtes Stück vor der Nase weggeschnappt – was natürlich niemand dort wusste.
    Er stellte das Glas ab, stand auf und nahm seinen privaten Schlüsselbund aus der Westentasche. Mit einer kleinen silbernen Kette war er an einem Knopfloch befestigt, damit er nicht verloren ging. An ihm befanden sich die Schlüssel für seinen Tresorraum, den man natürlich nicht öffnen konnte, wenn man nicht gleichzeitig den Code kannte, und die Schlüssel für die Geheimtür, hinter der seine bedeutendsten Sammlerstücke verborgen waren. Nicht alles, was er sammelte, verbarg sich in der klimatisierten Kammer, schließlich wollte er seine Sammlungen ansehen und genießen, aber die wertvollsten Stücke hatte er dort deponiert. ›Vor allem der Engel muss drinbleiben, bis die Suche nach ihm abgeflaut ist‹, dachte er betrübt und schloss die Geheimtür auf, die sich hinter der Holztäfelung befand. Zufrieden mit sich und seinen Errungenschaften schaltete er das Licht an. Und da stand er, von einem Seidentuch wieder umhüllt, sein Engel. Monatelang hatte er versucht, seinen geheimnisvollen Weg zu rekonstruieren, bis dieser im Katalog von Dumfries auftauchte. Dann hatte er zugeschlagen, keine Verbindung und kein Geld gescheut, um in seinen Besitz zu kommen ›Mein Engel‹, dachte er, ›ich habe seit Jahren auf dich gewartet.‹
    Behutsam entfernte er das Seidentuch und setzte sich in einen bereitstehenden Lehnstuhl. In Augenhöhe mit dem geschnitzten Gesicht versank er in den Anblick des Engels. Silbergrau war das Holz geworden, glänzend von Alter und Verwitterung. Von den Farben, die einst die Figur geschmückt hatten, war kaum noch etwas zu erkennen. Södergren beugte sich vor und strich liebkosend über das leicht splitterige Holz. »Sehr zärtlich ist man mit dir nicht gerade umgegangen«, flüsterte er und lehnte sich wieder zurück. Dann griff er zu dem Aktenordner, der auf einem Tischchen neben dem Sessel lag. Langsam blätterte er durch die Seiten. Da stand der Name des Engels, ›Gabriel‹ hatte Titurenius ihn genannt, damals, vor mehr als vierhundert Jahren, als er den Auftrag für den Zyklus bekam. Die Engel Michael und Raphael besaß das Museum bereits, und Södergren hatte sie so genau wie möglich studiert, um sicher zu sein, dass sein begehrter Engel wirklich zu dem Zyklus gehörte. Er wusste auch, dass Titurenius ursprünglich den Auftrag gehabt hatte, sieben Erzengel zu schnitzen, während der Arbeit aber verstorben war.
    Der Bildhauer hatte damals das beste Holz gewählt, das ihm zur Verfügung stand: Es war der Großmast einer spanischen Galeone, die hundert Jahre zuvor bei Livorno gesunken war und viele Jahre auf dem Meeresgrund den Salzwasserströmungen standgehalten hatte. Alle sieben Engel hatte er aus diesem Eichenholzmasten schneiden wollen, drei hatte er dann nur geschafft.
    Noch einmal strich Södergren über das silbrig glänzende Holz. »Dich hat ein Meeresgott geküsst, du brauchst keine Farben und kein Blattgold«, flüsterte er, dann legte er das Seidentuch wieder über die Statue, löschte das Licht und verließ die kleine Kammer.
    Ja, Christian Södergren war ein Romantiker, wenn es um seine Sammlungen ging. Dann blieb der Geschäftsmann draußen vor der Tür bei seinen Banken und Bohrtürmen, in seiner Reederei, bei den Konferenzen und Geschäftsessen. ›Ich könnte ein Schiff nach meinem Engel benennen‹, dachte er verträumt, ›oder eine Whiskysorte‹, denn eine Brennerei gehörte ihm auch. ›Nein‹, korrigierte er sich, ›eine Whiskysorte nicht, das wäre zu profan und meinem Engel nicht angemessen. Aber ein Schiff, das wäre seiner würdig.‹
    Södergren ging in sein Privatbüro und wählte

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