Schottische Engel: Roman (German Edition)
dir gekommen bin.«
»Ist der denn wichtig? Ich möchte so schnell und so heimlich wie möglich aus der Stadt verschwinden.«
»Ich habe Kleidung, Schuhe, meinen gesamten Schmuck, meine Papiere, den Pass und alles Geld, das ich in den letzten Tagen beiseitelegen konnte, in dem Koffer. Ich brauche ihn unbedingt.«
»Hm, dann muss mein Freund uns helfen. Er kann den Koffer holen.«
»Danke. Ich habe aber noch eine Frage, James. Machst du dich strafbar, wenn du mich fortbringst?«
»Nein. Du bist meine Patientin, und ich behandle dich, und wenn zu der Behandlung der Transport in eine Erholungsmaßnahme gehört, dann muss ich dich dorthin bringen.« Er lächelte. »Mach dir keine Sorgen, mit gehangen, mit gefangen, wie es so schön heißt.«
»Danke.« Sie legte ihm die Hände auf die Schulter und küsste ihn auf den Mund. James wollte sich zurückziehen, spürte aber im selben Augenblick, wie das Verlangen in ihm wuchs, wie sein Herz schneller schlug und sein Atem heftiger wurde. ›Gütiger Himmel‹, dachte er, ›nicht schon wieder. Wir haben es schon einmal vermasselt, das darf nicht wieder passieren.‹ Vorsichtig löste er ihre Hände von seinen Schultern.
»Was ist los, James?«
Vollkommen ruhig erwiderte er: »Ich möchte, dass wir ganz emotionslos an deine Flucht herangehen. Gefühle stören jetzt nur.«
Sie sah ihn ernsthaft an. »Gefühle stören nie, man muss sie nur beherrschen. Und ich habe gelernt, meine Gefühle zu beherrschen. Ich verstehe dich, wenn du jetzt nicht über Gefühle nachdenken willst. Aber mein Gefühl der Dankbarkeit musst du mir erlauben.«
»Ist ja schon gut, Isabelle. Komm, lass uns an die Reise denken. Wo ist der Schlüssel für das Schließfach? Brauchst du noch irgendetwas hier aus dem Haus vielleicht?«
»Nein, mein lieber Pragmatiker. Nur der Koffer ist wichtig. Hier ist der Schlüssel.« Sie holte den kleinen Schließfachschlüssel aus ihrer Handtasche und legte ihn auf den Tisch. »Donald wird mich im Haus gesucht haben, und als er mich nicht fand, als Erstes seinen Safe kontrolliert haben. Und als er festgestellt hat, dass mein Schmuck und sein Geld fehlen, wusste er, dass ich auf der Flucht bin. Vielleicht ist es ihm peinlich, eine Vermisstenanzeige aufzugeben, vielleicht aber auch nicht, und dann bin ich sehr schlecht dran.«
»Wir schaffen das schon. Und nun zum Praktischen: Mein Freund kommt um neun Uhr, dann ist es bereits dunkel. Wir fahren von hier aus zur Station, er holt den Koffer und begleitet uns bis an den Stadtrand. Von dort kann er mit einem Taxi heimfahren. Wir fahren weiter in meine Hütte. Wir werden im Morgengrauen dort ankommen. Dann entladen wir das Auto, ich stelle es in einer Scheune ab, damit niemand die Nummer erkennt, und dann verhalten wir uns ein paar Tage ganz still. Wenn sich alles etwas beruhigt hat, sehen wir weiter. Mein Freund ist der Einzige, der weiß, wo wir sind, und er wird uns auf dem Laufenden halten.« Er wandte sich Emmi zu und bat: »Bitte packen Sie alle meine Sachen und bringen Sie die Koffer in die Garage.«
Dann sah er Isabelle eine Weile ernsthaft an und sagte ganz unerwartet: »Und jetzt gehe ich in mein Arbeitszimmer und schreibe meine Kündigung.«
Am frühen Morgen des nächsten Tages erreichten James Grantino und Isabelle Lloyd die Hütte hinter dem ›Rodono Hotel‹. Nebelschwaden zogen über den See, und die Sonnenstrahlen tauchten die Hügel in erste Frühlingsfarben. Isabelle hatte im Fond des Wagens geschlafen, und James war ohne Pause durchgefahren. Er hatte den Weg über die Schnellstraßen gewählt und war problemlos bis Moffat und dann zum ›Rodono Hotel‹ gelangt.
In Edinburgh war alles nach Plan verlaufen. Mark Wallance war unbemerkt ins Haus gelangt und hatte pünktlich um neun Uhr in der Küche gestanden. Er hatte allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass ein unbekannter Wagen mit einem Fahrer in der Nähe des Hauses stand. »Wenn du abfährst, musst du entgegen seiner Fahrtrichtung abhauen, der muss dann erst wenden, und du bekommst einen komfortablen Vorsprung«, hatte er erklärt. Dann hatte er wissen wollen, was überhaupt passiert war. James hatte ihm in Kürze berichtet, was vorgefallen war, Isabelle gebeten, dem Freund den Rücken zu zeigen, um einen eventuellen Zeugen zu haben, und ihn in seine Pläne eingeweiht.
»Ich helfe euch natürlich, James, aber du musst mit schwerwiegenden Folgen rechnen.«
James hatte genickt. »Ich habe vorgesorgt. Erst einmal bin ich ein paar Tage krank,
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