Schottisches Feuer
Dougalls Alter gewesen war, hatte seine Größe ihn noch dazu zu einem leichten Ziel gemacht. Zu seinem Glück war er als Heranwachsender schnell und kräftig in die Höhe geschossen.
Doch selbst wenn der Junge eher klein bleiben sollte, bedeutete das nicht, dass er sich nicht als Krieger auszeichnen konnte. Duncan verspürte den seltsamen Drang, ihm zu helfen, doch er wusste, dass ihm das nicht zustand. Jamie würde sich um sein Training kümmern.
Dennoch hatte der Junge ihn, genau wie Ella, aus der Fassung gebracht – sogar noch stärker. Bei seinem Anblick hatte er denselben herzzerreißenden Schmerz verspürt und einen flüchtigen Augenblick der Wehmut, denn er wusste, unter anderen Umständen hätten sie seine eigenen Kinder sein können. Mit einer gewissen Portion Wunschdenken hatte er das Gesicht des Jungen gemustert und nach einer Verbindung gesucht, doch nur das Abbild von Jeannies Zügen entdeckt. Soweit er sich an John Grant, Jeannies Bruder, erinnerte, hatte der Junge eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm.
Duncan runzelte die Stirn. Bis auf die Haarfarbe. Wie Francis Gordon hatte John Grant blondes Haar. Doch dann hatte sie ihn geküsst und er hatte alles andere bis auf die leidenschaftliche Frau in seinen Armen vergessen. War das ihre Absicht gewesen? Hatte sie versucht, ihn abzulenken?
Er war die Außentreppe bereits zur Hälfte hochgestiegen, als eine Frau laut seinen Namen rief. »Duncan!«
Ihm blieb das Herz stehen. Einen Augenblick lang glaubte er, es wäre Jeannie. Doch schon bevor er sich umdrehte und die kleine, zierliche Frau erblickte, die soeben durch das Tor ritt, wusste er, dass sie es nicht war. Enttäuschung durchzuckte ihn.
Die Frau hielt sich nicht damit auf, sich vom Pferd helfen zu lassen – sehr zum Ärger des Mannes neben ihr, wenn man von seinem finsteren Gesichtsausdruck ausging –, sondern sprang ab und rannte auf ihn zu.
Die Kapuze, die ihr Haar bedeckte, flog ihr vom Kopf und enthüllte einen Schopf weißblonder Haare.
»Duncan«, rief sie erneut, und Tränen strömten über ihre Wangen.
Blaue Augen begegneten ebenso blauen Augen, und das Erkennen traf ihn mit einer heißen Welle, die ihm die Kehle zuschnürte. Es gab nur einen einzigen Menschen, der sich so freuen konnte, ihn zu sehen. »Lizzie«, stieß er erstickt hervor und breitete die Arme aus.
Kapitel 18
Jeannie wusste, dass sie eigentlich gehen sollte. Sie sollte Dougall nehmen und zu den Weihnachts- und Hogmanay-Feierlichkeiten nach Aboyne Castle zurückkehren, während Duncans Aufmerksamkeit von seinen Bestrebungen gefesselt war, seinen Namen reinzuwaschen, und sich nicht auf ihren Sohn richtete.
Wenn sie klug war, dann würde sie genau das tun. Doch sie war noch nie klug gewesen, wenn es um Duncan Campbell ging. Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, ihm nachzulaufen, und dem Drang, vor ihm davonzulaufen, war Jeannie auf ihrem Weg zurück zur Burg gerade um die Ecke des Übungsplatzes gebogen, als sie den Schrei der Frau hörte.
Wie angewurzelt blieb sie stehen und sah, wie sich eine zierliche Frau in Duncans Arme warf.
Ihr Herz sank ins Bodenlose. Der Stich der Eifersucht war ebenso heftig wie unvernünftig. Einen Augenblick lang konnte sie nicht einmal atmen, wie versteinert von dem Anblick einer anderen Frau in seinen Armen. In ihrer Betäubung dauerte es eine Weile, bis Jeannie klar wurde, wer sie war. Erst als die Frau ihre Umarmung löste und sein Gesicht in die Hände nahm, erkannte Jeannie Elizabeth Campbell – seine Schwester.
Der Seufzer der Erleichterung, der ihr entfuhr, war verräterisch. Langsam löste sich ihre Anspannung in Nacken und Schultern. Sie sammelte sich einen Augenblick, und dann ging Jeannie ein wenig abseits auf den Wohnturm zu, um die rührende Wiedervereinigung der Geschwister nicht zu stören.
Duncan zeigte selten seine Gefühle, doch die Liebe zu seiner Schwester stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
Es gab eine Zeit, da hat er mich so angesehen.
Schuldgefühl nagte an ihr. Das war die Begrüßung, die er verdient hatte, erkannte sie. Der Unterschied, wie Jeannie ihn willkommen geheißen hatte – mit einer Pistole! – und wie seine Schwester es tat, könnte nicht gravierender sein. Obwohl er sie betrogen hatte, änderte das nichts an der Tatsache, dass Duncan gezwungen gewesen war, seine Familie, sein Heim, die Heimat wegen eines Verbrechens zurückzulassen, das er nicht begangen hatte. Und das sehr wahrscheinlich wegen ihres Vaters und möglicherweise ihres
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