Schottisches Feuer
Sie erwiderte nichts. Angst schnürte ihr die Kehle zu. »Mit deinem Sohn?«
Er sah ihr in die Augen und war ihr dabei so nah, dass er es bemerkte. Das Aufflackern von Panik in ihrem Blick, das sie nicht verbergen konnte.
»Dein Sohn ist es, den du beschützt.« Scharf musterte er ihr Gesicht. »Warum?«
Jeannies Herz raste, während sie krampfhaft nach Worten suchte, nach irgendeiner Erklärung, die ihn von der Wahrheit fortlenken konnte. Alles, wofür sie so hart gekämpft hatte, schien kurz davor, in den Abgrund des Verderbens zu stürzen. Sie hatte Angst davor, den Mund zu öffnen, denn sie fürchtete, dass ihr die Wahrheit irgendwie herausschlüpfen könnte.
»Wie könnte ich deinem Sohn jemals etwas antun?«
Wut stieg in ihr hoch. Obwohl sie jede nur mögliche Anstrengung unternommen hatte, ihn daran zu hindern, wünschte ein Teil von ihr sich, dass er es herausfand. Seine aufrichtige Ratlosigkeit, seine Blindheit reizten sie und ließen ihre ohnehin schon blank liegenden Nerven reißen. Tränen brachen sich Bahn, als der Druck von allem, was sie zurückgehalten hatte, zu groß wurde.
»Siehst du denn nicht, dass schon allein deine bloße Anwesenheit eine Bedrohung für ihn ist? Wenn du meinen Mann in dieses Komplott gegen dich hineinziehst, wer glaubst du, wird wohl die Schuld dafür tragen müssen? Du kannst die Zukunft meines Sohnes zerstören, alles, wofür ich so hart gekämpft habe«, versetzte sie heftig. Dabei kam sie der Wahrheit gefährlich nahe, doch im Augenblick war ihr das gleichgültig.
Ihre Anschuldigung traf ihn unvorbereitet. »Er ist doch noch ein Kind.«
Sie schnaubte verächtlich. »Glaubst du, das wäre für deinen Cousin oder den König von Bedeutung?«
Sein Schweigen sagte alles. Überrascht erkannte sie, dass es eine Erleichterung war, ihre Ängste laut auszusprechen. Es war nicht die ganze Wahrheit, doch genug, um sich zu fühlen, als wäre gerade eine schwere Last von ihr genommen worden.
Nach einem Augenblick fuhr er sich mit den Händen durchs Haar und sagte: »Warum hast du mir das nicht schon eher gesagt?«
»Hätte das einen Unterschied gemacht? Hätte ich dir vertrauen sollen?«, entgegnete sie herausfordernd. »Hast du mir vertraut?«
Ihre Blicke trafen sich. Sie kannten beide die Antwort.
»Und deshalb hast du dich geweigert, mir zu helfen? Um deinen Sohn zu beschützen?«
Sie spürte die Dringlichkeit in seiner Stimme, als wäre die Antwort sehr wichtig für ihn. »Was hätte ich denn tun sollen? Dir dabei helfen, ihn zu vernichten?«
»Ich hätte niemals zugelassen, dass das geschieht, Jeannie«, antwortete er, während er ihr Kinn anhob und sie zwang, ihn anzusehen. Für einen Moment war in seinem Gesicht nichts mehr von der Wut zu sehen, die noch vor wenigen Augenblicken seine Züge verhärtet hatte – sein Ausdruck war beinahe zärtlich. »Der Junge trägt keine Schuld an dem, was passiert ist. Ich schwöre dir, dass ihm kein Leid geschehen wird.«
»Wie kannst du so etwas versprechen?«
»Für deinen Vater kann ich nichts mehr tun, aber ich werde sicherstellen, dass der Name deines Mannes aus der Sache herausgehalten wird.«
Ihr stockte der Atem, und als sie prüfend sein Gesicht musterte, sah sie darin nur kalte Entschlossenheit. »Das würdest du für mich tun?«
Er nickte. » Aye . Darauf hast du mein Wort.«
Sie wollte ihm glauben. Wenn man ihn ansah, fiel es schwer, es nicht zu tun. In seiner feinen Kleidung aus schwarzem, mit Metall besetztem Leder sah er durch und durch wie ein grimmiger, unzerstörbarer Krieger aus – der legendäre schwarze Ritter, der bereit war, alle zu besiegen, die ihn herausforderten. Sein Kopf streifte beinahe die Deckenbalken, die Schultern waren so breit wie der Türrahmen, die Brust so hart wie ein Schild – jeder Zoll an ihm war zu einer stählernen Kriegswaffe geschmiedet. Doch es war mehr als nur seine Körpergröße und die Kleidung. Die Zeichen von Autorität zeigten sich nicht nur deutlich in seinen stolzen, edlen Zügen, sondern lagen tief verwurzelt in jeder Bewegung, selbst in der Art, wie er sprach. Er wirkte mehr wie ein Chief als wie ein Geächteter.
Doch er war ein Geächteter – ein toter Mann, falls die Soldaten seines Cousins ihn erwischten. Wie konnte er ihren Sohn schützen?
Und dennoch schrie alles in ihr danach, sich ihm in die Arme zu werfen, die Augen zu schließen, und sich der gewaltigen Macht zu ergeben, die sie zueinanderzog. Es schien so einfach, doch sie hatte gelernt, gerade vor
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