Schottisches Feuer
Impulsivität sie zu einem gewaltigen Fehler verleitet.
Aber war es überhaupt ein Fehler?
Sie war so verwirrt, dass sie nicht länger wusste, was richtig und was falsch war. Doch sie wusste, dass Duncan es nie auf ihre Weise sehen würde. Nicht, wenn das bedeutete, eine Lüge aufrechtzuerhalten. Und genau das hatte sie getan – gute Absichten hin oder her. Zum Wohle ihres Sohnes wäre ihr Verhalten auch richtig gewesen, wenn Duncan nicht zurückgekommen wäre.
So lange hatte sie um Dougalls Sicherheit gekämpft, damit er nicht als Bastard abgestempelt und sein ganzes Leben von einem Skandal überschattet würde. Doch indem sie ihn schützte, enthielt sie ihm auch seinen Vater vor. Hatte sie das Recht dazu? Francis war tot, aber Duncan nicht.
Hatte sie nicht einst zu Duncan gesagt, dass es nicht die Umstände der Geburt waren, die jemanden zum Bastard machten, sondern seine Taten? Hatte sie das wirklich geglaubt, oder waren das nur Worte? Wenn sie an Duncan glaubte, musste sie dann nicht auch an ihren Sohn glauben?
Sie hasste den Gedanken an den Schmerz, den es ihm verursachen musste, doch Dougall war stark, und mit ihrer Hilfe würde er es überstehen. Jeannie würde niemals vergessen, was Francis für sie getan hatte, doch sie konnte Dougall nicht verwehren, seinen Vater kennenzulernen.
Und das würde sie Duncan auch sagen, wenn er nur endlich zurückkäme. In einer Stunde würde die Morgendämmerung einsetzen, sicher würde er bis dahin doch zurück sein!
Er würde sie nicht einfach so verlassen … oder?
Ein Klopfen an der Tür ließ sie hochschrecken, und ihr Herz tat einen Satz. Sie sprang vom Stuhl auf, rannte zur Tür und riss sie auf. »Dunc…«
Das Wort erstarb in ihrem Mund. Er war es nicht. Es war nur die Tochter der Wirtin mit einem Tablett mit Essen. Die Flamme der Hoffnung, die aufgelodert war, erstarb zu einem traurigen Häufchen Asche. Das Mädchen war ungefähr siebzehn Jahre alt und hatte dunkles Haar und ein angenehmes, rundes Gesicht, das zu ihrer Figur passte. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Schankraum, wo sie Speisen und Ale servierte, war sie offensichtlich auch das Zimmermädchen des Wirtshauses.
»Ist es noch zu früh, Mylady?« Jeannie konnte die Besorgnis auf ihrem Gesicht sehen. »Ich kann auch später wiederkommen. Ich hörte, dass Ihr euch geregt habt, und dachte, Ihr möchtet vielleicht etwas frühstücken.«
»Danke«, antwortete Jeannie und öffnete die Tür, um sie hereinzulassen. Die dampfende Rinderbrühe und das frische Brot dufteten köstlich, doch sie war nicht hungrig. »Ich dachte, es wäre einer meiner Wachmänner.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Sie schlafen immer noch vor dem Feuer ihren Rausch von dem Ale meiner Mutter aus. Bis auf den Anführer – den großen, schwarzhaarigen Mann.« Sie warf Jeannie einen unbehaglichen Blick zu. »Er ist vor einer Weile fortgeritten.«
Fort? Jeannie schluckte den Kloß hinunter, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte. »Weißt du, wohin er wollte?«
»Zu den Anlegestellen, glaube ich. Jedenfalls ritt er in diese Richtung.«
Jeannie nickte und versuchte, ruhig zu bleiben. Vermutlich bereitete er nur das Boot für ihre Abreise vor. Er würde nicht ohne sie fortgehen. Das Mädchen stellte das Essen auf dem Tisch ab und bot an, frisches Wasser für die Waschschüssel zu bringen, was Jeannie ablehnte.
»Ich kann Euch beim Ankleiden helfen«, schlug sie Jeannie vor, die nur ihr Leinennachthemd trug.
Obwohl Jeannie nicht in der Stimmung für Gesellschaft war, wusste sie, dass sie sich nicht alleine ankleiden konnte, und nahm die Hilfe des Mädchens an, statt auf Duncan zu warten. Es könnte einige Zeit vergehen, bis er zu ihr zurückkommen würde.
»Hattet Ihr eine Angelegenheit auf der Burg zu erledigen, Mylady?«, fragte das Mädchen gesprächig, während sie Jeannie das Mieder schnürte.
Jeannie nickte. »Ich hatte gehofft, die alte Kinderfrau Kathrine zu sehen.«
Das junge Mädchen sah sie überrascht an. »Katy?«
»Ja, es tat mir leid zu hören, dass sie gestorben ist.«
Sie nickte. » Aye , das war eine schreckliche Tragödie.« Sie senkte die Stimme. »Die arme Katy muss auf dem Heimweg auf den Klippen ausgerutscht sein. Sie wurde erst eine Woche, nachdem sie verschwunden war, an Land gespült. Nur an ihrem Haar konnte man sie noch identifizieren. Wie gesponnenes Gold war es, ganz verschlungen mit Seetang.«
Angewidert verzog Jeannie das Gesicht, denn sie brauchte keine blutigen Einzelheiten. Doch halt
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