Schottisches Feuer
nie mehr zurückkehren würde, wenn er jetzt fortging. »Duncan, warte! Du kannst nicht gehen! Ich …«
Gütiger Gott, was kann ich denn nur sagen? Wie konnte sie es ihm begreiflich machen, ohne dadurch ihren Vater zu verraten und sein Leben – und das Leben ihrer Clansleute – in Gefahr zu bringen?
Wer in dem religiösen Disput zwischen Huntly und dem König im Recht war und wer nicht, bedeutete ihr nicht das Geringste. Für sie zählte nur, dass die beiden Männer, die sie liebte, sich auf gegnerischen Seiten gegenüberstanden – wie konnte sie nur beide beschützen?
Sie kannte Duncan gut genug, um zu wissen, dass er sich verpflichtet fühlen würde, seinen Cousin über die Heimtücke ihres Vaters zu informieren, wenn sie ihm den wahren Grund ihres Kommens verraten würde. Er konnte nicht untätig danebenstehen und zulassen, dass jemand ungehindert ein Unrecht beging. Ein rechtschaffener Mann wie Duncan hätte für einen Betrug, wie ihr Vater ihn plante, keinerlei Verständnis oder Erbarmen. Duncan würde stets tun, was Recht und richtig war, ganz gleich, was es ihn persönlich kostete. So gut kannte sie ihn.
Doch wenn sie es Duncan nicht erzählte – oder ihn nicht auf irgendeine Art und Weise am Gehen hinderte –, dann würde der Verrat ihres Vaters Duncan in ernste Lebensgefahr bringen. Ganz gleich, was sie auch tat, jede Hoffnung, dass ihre Familie sich davon überzeugen lassen könnte, einer Verbindung zwischen ihnen zuzustimmen, war verflogen. Es war das andere Verlöbnis, das ihr Sorgen bereitete – dasjenige, das ihr Vater mit Francis Gordon arrangiert hatte, und dem sie unwillentlich zugestimmt hatte. Schuldgefühle versetzten ihr einen Stich. Ihr Vater hatte von einer mächtigen Waffe Gebrauch gemacht: ihrem Pflichtgefühl. Sie wollte eine gute Tochter sein, und sich ihm zu widersetzen, würde ihr äußerst schwerfallen.
Sie steckte in einer unmöglichen Zwangslage, hin- und hergerissen zwischen zwei widerstreitenden Loyalitäten. So oder so war sie verloren.
Irgendwie musste sie Duncan davon überzeugen, auf ihre Warnung zu hören, doch dazu musste sie vorsichtig sein. Er war zu scharfsinnig – wenn sie zu viel sagte, könnte er erraten, was vor sich ging.
Über die Schulter hinweg sah er sie an, mit kalter Entschlossenheit auf dem attraktiven Gesicht.
So sah er andere an – nicht sie. Die Fähigkeit, seine Gefühle so vollständig, so mühelos, auszuschalten, brachte sie aus der Fassung.
»Ich muss das hier tun, Jeannie. Mach es mir nicht schwerer, als es ohnehin schon ist.«
Schwer? Was für eine maßlose Untertreibung. Er hatte keine Ahnung, wie sie das hier innerlich zerriss.
Tränen der Angst und Verzweiflung strömten ihr in heißen Rinnsalen über die Wangen, als sie zu ihm lief und ihm die Hand auf den Arm legte. Mit all der Liebe in ihrem Herzen sah sie flehend zu ihm hoch. »Bitte, du kannst nicht einfach so fortgehen!«
Völlig regungslos stand er da und sagte kein Wort, doch seine Mundwinkel traten weiß hervor. Er kämpfte gegen etwas an. Gegen mich , erkannte sie. Ihr etwas abzuschlagen, fiel ihm wirklich schwer. Das war ein kleiner Riss in einer ansonsten undurchdringlichen Fassade. Sanft löste er ihre Finger von seinem Arm und wandte sich von ihr ab.
Ihr Herz zog sich in einem erneuten Anfall von Panik zusammen. Er wird mich verlassen. Halt ihn auf! Halt ihn fest! Da sie nicht wusste, was sie sonst noch tun konnte, warf sie sich zwischen ihn und die Tür und klammerte sich an seine mit Kettenpanzer bewehrte Brust, doch er sah sie nicht einmal an. Seine Miene war wie versteinert und unergründlich, nur das Zucken an seinem Kiefer verriet seine Anstrengung. Sie konnte es nicht ertragen, dass er sich so ungerührt gab. »Bitte, sei nicht böse auf mich«, flehte sie mit tränenerstickter Stimme. »Ich weiß, du hältst mich für albern und töricht, weil ich hierhergekommen bin. Aber ich kann es dir erklären.« Schwer hob und senkte sich ihre Brust, als sie schluchzend um Atem rang. »Ich habe einfach nur solche Angst.«
Vielleicht war es die Aufrichtigkeit ihrer Gefühle, die schließlich zu ihm durchdrang, denn plötzlich waren seine Arme um sie geschlungen und sie spürte die tröstliche Sicherheit seiner Umarmung. Sanft streichelte er ihr übers Haar und murmelte beruhigend: »Ich weiß, mein Liebling, ich weiß. Aber hab Vertrauen in mich.«
Das habe ich. Aber ich habe kein Vertrauen in Verrat.
Er sah zu ihr hinunter, und ihre Blicke verschmolzen ineinander.
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