Schottisches Feuer
Jeannie sich ihr anschließen würde, doch als sie die Tür erreichte, zögerte sie und drehte sich noch einmal zu ihm um.
»Warum bist du hergekommen, Duncan? Warum zu mir, warum jetzt?«
»Es war an der Zeit.« Das war die einfache Antwort. Die Wahrheit war weit komplizierter. Der Brief seiner Schwester Lizzie über den Tod von Francis Gordon und die Gerüchte über Jeannies Wiedervermählung – möglicherweise mit Colin – hatte eine Dringlichkeit ausgelöst, die er nicht näher hinterfragen wollte.
»Das ist alles?«, fragte sie ungläubig. »Das ist die ganze Erklärung, die ich nach all dieser Zeit erhalten soll?« Mit durchdringendem Blick sah sie ihm in die Augen. » Du hast mich verlassen und hattest nicht einmal so viel Anstand, mir Lebewohl zu sagen! Nicht ein einziges Wort in zehn Jahren, und nun beschließt du plötzlich, dass es Zeit ist zurückzukehren?«
Der unvermittelte Gefühlsausbruch überraschte ihn ebenso sehr, wie er sie zu überrumpeln schien. Er runzelte die Stirn. Es klang beinahe so, als bedeutete es ihr etwas, als habe er sie unwissentlich verletzt und nicht andersherum. Sie wirkte nicht schuldig, sie verhielt sich, als hätte man ihr Unrecht getan. Du hast mich verlassen. Die Anschuldigung hallte in ihm wider. Er hatte den Schmerz in ihrer Stimme gehört und kannte die Ursache. Doch dass er sie verlassen hatte, war etwas völlig anderes als bei ihrer Mutter – er hatte einen Grund dafür. Sie hatte ihn verraten.
Die Welle der Wut war ebenso heftig wie unerwartet. »Was zum Teufel hast du von mir erwartet? Dank dafür, dass du mich so verdammt gekonnt aufs Kreuz gelegt hast – auch im wörtlichen Sinne?«
Die Grausamkeit ließ sie zusammenzucken, als hätte er sie geschlagen. So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Der Blick, mit dem sie ihn ansah, war von so intensiven Gefühlen erfüllt, dass er nicht einmal ansatzweise seine dunklen Tiefen ergründen konnte. Doch es verursachte ihm einen ersten Anflug von Unbehagen.
Tief holte er Luft. Wie machte sie das nur? Innerhalb von etwas mehr als einer Stunde hatte sie es geschafft, die stählernen Schutzschichten vieler Jahre wegzustemmen und seine bloßen Eingeweide freizulegen. Mit so viel Feingefühl, als würde sie ihm eine Nadel unter die Fingernägel stechen.
Sein Zorn tobte, doch er unterdrückte ihn – mit Rücksicht auf seine Mission. Er war hier, um seine Unschuld zu beweisen, nicht um vergangenen Betrug aufzuwärmen. »Ich habe dir Lebewohl gesagt«, entgegnete er. »Was gab es sonst noch zu sagen?«
»So einiges, wenn du mir die Gelegenheit dazu gegeben hättest«, sagte sie leise. »Doch du warst ja schnell bei der Hand mit meiner Schuldigsprechung.«
»Dann hilf mir, die Wahrheit herauszufinden«, forderte er sie heraus. »Sag mir, was du weißt.«
Ihre Blicke trafen sich und hielten einander fest. Einen Augenblick lang war sie in Versuchung, doch am Ende schüttelte sie den Kopf. »Das kann ich nicht.«
Sein Gesicht verfinsterte sich. Ein kleiner Teil von ihm hatte sich stets gefragt, ob er sich geirrt hatte. Doch ihr Schweigen verurteilte sie. »Du meinst, das willst du nicht.«
Angesichts der Wahrheit zuckte sie die Schultern, dann musterte sie ihn sorgfältig. »Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Du hast dir ein neues Leben aufgebaut – deinen Ehrgeiz befriedigt.« Sie deutete auf seine Rüstung. »Reichtum angehäuft und Ruhm geerntet. Ich kann kaum an den Unterkünften der Wachmänner vorbeigehen, ohne von irgendeiner Heldentat des ›Schwarzen Highlanders‹ und seiner Männer zu hören. Du hast alles, was du je wolltest. Warum kommst du zurück, reißt alte Wunden auf und riskierst, dass du alles wieder verlieren könntest?«
Sie hatte von ihm gehört. Die Erkenntnis erfreute ihn mehr, als sie sollte. Aye , er hatte seinen Ehrgeiz befriedigt. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er geglaubt hatte, dass das alles war, was er wollte. »Was sind Reichtum oder Ruhm ohne Freiheit, und Freiheit gibt es nicht im Exil. Die Highlands sind meine Heimat. Und hier werde ich leben … oder sterben.«
Sie hielt seinen Blick einen Moment lang fest – so als verstünde sie ihn –, dann drehte sie sich um und ließ ihn allein.
Allein. Er war daran gewöhnt – zog es sogar vor –, doch Alleinsein war nicht dasselbe wie Einsamkeit. Jeannie wiederzusehen, erinnerte ihn schmerzlich daran, dass es da einen Unterschied gab.
Duncan hatte alles erreicht, was er sich vorgenommen hatte, und noch mehr, doch es hatte seinen
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