Schottisches Feuer
zu bedenken galt. Duncans Wiederauftauchen würde weder für die Gordons noch für die Grants etwas Gutes bedeuten.
Aber als der Zeitpunkt gekommen war, um das Wort gegen ihn zu erheben, hatte es sich angefühlt, als rebellierte jeder ihrer Instinkte dagegen. Vielleicht war sie doch nicht so hartherzig und rachsüchtig, wie sie es gerne sein wollte. Doch sie hatte den Verdacht, dass ihre Gründe noch tiefer gingen. Nachdem er sie verlassen hatte, hatte sie so viele Fragen gehabt: Warum versuchte er nicht, sich zu verteidigen, warum hatte er sie so schnell verurteilt, warum ging er fort, ohne Lebewohl zu sagen? Warum hatte er zehn Jahre mit seiner Rückkehr gewartet? Fragen, die eine Antwort forderten. Vielleicht würde sie dann endlich die Vergangenheit hinter sich lassen können und die Chance haben, glücklich zu werden.
Sie hatte ihrem Ehemann gegenüber versagt, denn sie hatte nie die Liebe erwidern können, die er ihr so selbstlos geschenkt hatte. Das würde sie keinem anderen Mann antun.
Doch das konnte sie Duncan wohl kaum erzählen. Er beobachtete sie aufmerksam – zu aufmerksam –, und sein Blick war hart und unnachgiebig. Wie der Mann selbst. Dieser Fremde, der ihr mit einem einzigen tiefen, durchdringenden Blick immer noch das Gefühl geben konnte, vor Nervosität aus der Haut fahren zu können. Närrin.
Sie bedachte ihn mit einem harten Blick. »Ich versichere dir, meine Beweggründe waren rein selbstsüchtiger Natur und hatten nichts mit irgendwelchen teuren Erinnerungen oder sentimentalen Gefühlen für dich zu tun.« Er zeigte keine Reaktion. Nicht, dass sie eine erwartet hatte. Sollte sie je die kindische Vorstellung gehegt haben, dass er sich nach ihr sehnte, dass er eines Tages erkennen würde, wie sehr er ihr Unrecht getan hatte, dann war sie in dem Moment verpufft, als sie ihm in die Augen gesehen hatte. Er war nicht hier, um vor ihr auf die Knie zu fallen und um Vergebung zu bitten. Er war hier, weil er etwas wollte. Mit spitzem Blick sah sie ihn an. »Was willst du von mir?«
»Informationen. Einsicht.«
Ein Schauer der Beunruhigung lief ihr über die Haut. »Es ist nichts damit gewonnen, Ereignisse wieder auszugraben, die besser in der Vergangenheit aufgehoben sind.«
Ärger funkelte in seinen harten, blauen Augen. Das war etwas, was sich nicht geändert hatte. Seine Augen waren immer noch von einem verblüffend tiefen Blau – ein auffälliger Kontrast zu dem schwarzen Haar. Sie hatte ihn immer für den attraktivsten Mann gehalten, den sie je gesehen hatte. Das hatte sich ebenfalls nicht geändert.
»Leicht gesagt, wenn es nicht dein eigener Name ist, der in den vergangenen zehn Jahren verleumdet und durch den Schmutz gezogen wurde. Was ist mit Gerechtigkeit? Wäre ihr damit nicht gedient?« Anklagend verengten sich seine Augen. »Damit meinst du, es ist besser für dich und deine Familie, wenn der Verrat, der an jenem Tag begangen wurde, vergessen wird.«
Hitze schoss ihr in die Wangen, doch trotzend hielt sie seinem Blick stand. »Ja, das ist genau das, was ich meine.« Er hatte recht. Schwierigkeiten waren das Letzte, was ihr Clan jetzt brauchen konnte. Ihre Situation war schon prekär genug. Da ihr Schwiegervater, der Marquis of Huntly, exkommuniziert und auf Stirling Castle eingekerkert worden war, weil er die Kirche wieder einmal nicht davon überzeugt hatte, dass er dem papistischen Glauben nicht mehr anhing, war der Name Gordon bei Hofe nicht gerade wohlgelitten. Ebenso wenig wollte Jeannie ihren Bruder John, den neuen Laird of Freuchie, in Schwierigkeiten bringen, indem sie den Earl of Argyll an den Verrat ihres Vaters bei Glenlivet erinnerte. Der König mochte ihrem Vater seine Vergehen zwar verziehen haben, doch Argyll hatte das nie – nicht einmal der Tod ihres Vaters vor zwei Jahren hatte ihn von seiner Sünde reinwaschen können. Duncans plötzliche Rückkehr würde all den alten Hass wieder ausbrechen lassen. Fest sah sie Duncan in die Augen. »Bitte, lass es einfach gut sein.«
Doch ihre Bitten hatten noch nie eine Wirkung auf ihn gehabt. Sie würde niemals das letzte Mal vergessen, als sie ihn gesehen hatte. Die Demütigung hatte sich ihr unauslöschlich eingeprägt. Wie sie sich wie eine liebeskranke Närrin an ihn geklammert und ihn angefleht hatte, ihr zu glauben, und er sie eiskalt – herzlos – von sich gestoßen hatte, ohne ein einziges Mal zurückzublicken. Damals hatte er denselben harten, unnachgiebigen Ausdruck in den Augen gehabt wie jetzt. Und sie
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