Schottisches Feuer
Körper. Von den straffen Bauchmuskeln bis zu den glatten Wölbungen der Arme war er zu einem einzigen Zweck geschaffen: zum Kampf. Und wenn man nach den zahlreichen Narben ging, die Brust und Arme überzogen, dann hatte er davon mehr als nur seinen gerechten Anteil gehabt.
Hitze durchströmte sie, und ihre Glieder wurden plötzlich schwer. Sie schien den Blick einfach nicht abwenden zu können.
Und sie war nicht die Einzige, die seine männlichen Vorzüge bemerkte. Mairghread mochte zwar bereits auf die sechzig Jahre zugehen, aber sie war nicht blind, und solch eine Darbietung männlicher Stärke und Kraft musste man einfach bewundern.
Er war kein Junge mehr, sondern ein Mann. Ein Krieger. Jeannie spürte einen schmerzhaften Stich in der Brust. Ein Fremder. Das war nicht mehr der Junge, dem sie törichterweise ihr Herz geschenkt hatte, sondern ein Mann, der ein Leben gelebt hatte, über das sie nichts wusste. Die Jahre dehnten sich zwischen ihnen aus und zerrissen jede Verbindung, die sie einst hatten.
Ihr Blick erstarb.
Während der nächsten Stunde arbeitete Jeannie mit der Heilerin Seite an Seite und versuchte, den Schaden wiedergutzumachen, den sie mit ihrer Pistole und dem übereifrigen Finger am Abzug angerichtet hatte. Als offensichtlich wurde, dass sie die Kugel herausholen mussten, wollte Jeannie schon nach einem seiner Männer rufen, damit er ihn festhalten konnte, doch er hielt sie auf.
Seine Finger schlossen sich um ihr Handgelenk, und sie unterdrückte ein Keuchen, denn die große, schwielige Hand fühlte sich wie ein Brandeisen auf ihrer Haut an. Sofort wurde sie sich seiner Kraft bewusst. Er konnte ihr mühelos die Knochen zerquetschen.
»Das wird nicht nötig sein«, meinte er.
Jeannie warf der Heilerin, die mit widerspenstigen Patienten vom Schlag der Highlander recht vertraut war, einen Blick zu. Mairghread verdrehte die Augen und murmelte etwas über dickköpfige Kerle.
»Bist du sicher?«, fragte Jeannie, während sie vorsichtig die Hand aus seinem Griff befreite. Ihre Haut kribbelte, und sie musste dem Drang widerstehen, sich den warmen Abdruck seiner Berührung fortzureiben.
» Aye «, antwortete er grimmig. »Das ist nicht das erste Mal, dass ein Stück Blei in mir steckt.«
Sie musste sich auf die Zunge beißen, um keine weiteren Fragen zu stellen. Als Mairghread jedoch anfing, den Dolch in die Wunde zu bohren, bezweifelte Jeannie, dass er ihr hätte antworten können. Heftig biss er die Zähne zusammen und jeder Muskel an Nacken und Schultern verkrampfte sich vor dem Schmerz, den ihm das Messer bereiten musste. Schweiß trat ihm auf die Stirn, doch er hielt völlig still und gab keinen Laut von sich – keinen einzigen Schrei, kein einziges Stöhnen.
Nur seine Augen bohrten sich brennend in ihre und hielten ihren Blick während der ganzen Zeit fest. Jeannies Puls raste, während jeder quälenden Minute hämmerte ihr Herz in der zu eng gewordenen Brust. Sie fühlte sich, als befände sie sich am Rand eines Abgrunds. Als es vorbei war, war sie davon überzeugt, dass sie noch erschöpfter war als er.
Mairghread versicherte ihr, dass die Wunde ihn nicht umbringen würde – solange kein Wundfieber einsetzte, würde er sich gut erholen. Beim Gedanken an Wundfieber lief Jeannie ein Schauer über den Rücken. Nun, da der erste Schock und die Wut über das Wiedersehen verflogen waren, wollte sie nicht, dass er starb. Er sollte einfach nur verschwinden.
Nachdem sie die Wunde mit Wasser gesäubert und Jeannie ein Stück Leinen gegeben hatte, mit dem sie die Blutung stillen sollte, verließ Mairghread für ein paar Minuten den Raum, um ein paar Kräuter und Salben aus ihrem Lagerraum in der Nähe der Küche zu holen.
Jeannie hielt den Blick fest auf die Wunde gerichtet, doch sie war sich der Tatsache überdeutlich bewusst, dass sie mit ihm alleine war. Die unangenehme Stille wurde nur durch das gleichmäßige Geräusch seines Atems und das unregelmäßige Schlagen ihres Herzens durchbrochen, das nicht einmal ihr starker Wille bändigen konnte.
»Warum hast du mich ihnen nicht ausgeliefert?« Seine Stimme klang kühl, emotionslos.
Sie setzte eine ähnliche Miene auf, um ihm keinen Hinweis auf den Tumult zu geben, den seine Frage in ihr auslöste. Den er in ihr auslöste.
Warum eigentlich, wo er ihr doch so viel Schaden zufügen konnte? Sie wusste es nicht. Mit jeder Minute, die er hier war, wuchs das Risiko, dass ihr Geheimnis entdeckt wurde. Und da war auch noch ihre Familie, die es
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