Schottlands Wächter (German Edition)
meine Mutter wiedergesehen und sie nicht erkannt. Bin ich ihr denn so gleichgültig, dass sie mir nicht sagen wollte, wer sie ist?
Bryanna schwindelte, doch die Lieder des Barden führten ihre Gedanken unaufhaltsam weiter. Wenn meine Eltern die Wächter von Alba und Schottland sind, bedeutet das, dass ich das gesuchte Halbblut bin. Das Wissen, das mir gegeben wird, ist meine Ausbildung. Man lehrt mich Magie, damit ich meine Eltern ablöse und sie töte. Und Kaylee soll ich wohl auch töten, nur weil sie das andere Halbblut ist.
Bryanna biss die Zähne zusammen und spannte die Kinnmuskeln an. Da mache ich nicht mit , dachte sie. Ich töte weder meine Eltern noch meine Freundin. Warum zeigen mir die Barden nicht, wie ein Wächter ohne Mord abzulösen ist? Kaylee würde ein guter Wächter werden. Sie versuchte dem Barden nicht länger zuzuhören, aber es gelang ihr nicht.
Nach einer Weile verschwammen die grauen Steinwände, das Feuer schrumpfte und die Musik der Barden verklang. Als Bryanna sich umsah, saß sie zwischen Kaylee und Stuart an Elders und Hopes Feuer. Hope hielt die Glaskugel in der Hand, die sie zu den Barden geführt hatte.
Bryanna starrte den Seannachaidh anklagend an. „Jetzt habe ich es endlich verstanden. Aber ich will nicht der nächste Wächter werden.”
Stuart sah ihr direkt in die Augen und sein Gram schnitt Bryanna ins Herz. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie sehr ihn die Trauer beherrschte. „Überlege dir genau, was du tust”, sagte er. „Ich weiß, wie schnell man seine Chance vertan hat.” Bryanna wollte ihm widersprechen, aber er war schneller. „Nun ist es Zeit, dir meine Geschichte zu erzählen.” Seine Stimme nahm jenen singenden Tonfall an, mit dem Seannachaidhs seit unzähligen Generationen ihre Zuhörer fesselten. Bryanna war keine Ausnahme. Atemlos lauschte sie, als Stuart über seine Vergangenheit sprach.
„Geboren wurde ich als Stuart MacPherson. Ich lebte vor über 800 Jahren in einem kleinen Hause in Totaig bei Colbost in Glendale. Ich hatte eine wunderbare Frau. Sie war das schönste Mädchen des Dorfes und die beste Ehefrau, die sich ein Mann nur wünschen kann. Wir waren nicht reich, aber glücklich.
Die Krönung unserer Liebe waren unsere Kinder, drei kräftige Jungs und ein Mädchen. Wir arbeiteten hart, damit es unsere Kinder einmal besser haben würden. Dann kam dieser Sommer, jener verhängnisvolle Sommer. Meine süße Kaitleen erinnerte mich daran, dass es Zeit wäre den Torf fürs Feuer zu stechen.
»Unsere fünf Kinder sollen doch nicht frieren«, sagte sie. Zunächst begriff ich ihre Worte nicht, aber dann war meine Freude groß. Bald würden wir noch ein Kind in unserer Familie begrüßen können. Mich schmerzte der Gedanke, dass ich meine Kaitleen jetzt für lange Zeit jeden Tag bei Sonnenaufgang verlassen sollte. Heimkehren würde ich erst kurz vor Sonnenuntergang, denn der Weg ins Moor war lang. Nach einer Woche Torfstechen war meine Sehnsucht so groß, dass ich es nicht mehr aushielt.
»Gibt es denn nirgends Torf, der dichter bei meinem Hause liegt?«, fragte ich mich. Oh ja, es gab Torf nicht weit von meinem Heim. Es lockte mich der Cnoc-an t‘Sithean. Auf dem Elfenhügel gab es große Mengen des besten Torfs. Mein Weib riet mir ab, meine Nachbarn rieten mir ab, meine Mutter flehte mich an, es nicht zu tun. Doch ich hörte nicht. Ach wie oft habe ich jenen Tag verflucht, an dem ich mit klopfendem Herzen und mit dem Stecheisen über der Schulter den Hügel erklomm.
Ich begann mit meiner Arbeit in der Erwartung auf der Stelle von den Elfen bestraft zu werden, doch nichts geschah. Den nächsten Tag ging ich viel zuversichtlicher hinauf und am dritten Tag sagte ich zu meinen Nachbarn: »Seht, euer Glaube an das kleine Volk ist falsch. Es gibt sie nicht, die Elfen. Wäre ich sonst nicht schon längst gestraft worden?« Jeden Tag stieg ich den Hügel hinauf und brach Scholle um Scholle von dem Torf. In einer Woche hatte ich soviel gestochen und zum Trocknen gestapelt, dass es für den Winter reichte. Stolz kehrte ich heim. Auch das Einfahren des getrockneten Torfs verlief ohne Zwischenfälle.
Der Bauch meiner Kaitleen wuchs und ich war stolz und glücklich. Was war ich doch dumm. Hätte ich nur geahnt, was kommen würde, hätte ich den Torf auf der Stelle zurück getragen. Aber es war zu spät. Der Winter kam und das Haus musste geheizt werden, wenn wir nicht erfrieren wollten. Tag um Tag, Nacht um Nacht brannte der verfluchte Torf in unserem
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