Schottlands Wächter (German Edition)
von dem Durcheinander in ihrem Kopf ab.
Endlich sah sie weit entfernt ein helles Licht zwischen den Felsen. Stuart deutete darauf und sagte: „Dort drüben ist das Haus meines Freundes.” Bryanna blinzelte und sah genauer hin. Das Glänzen kam von einer Hütte, die das Licht der Sonne zurückwarf wie ein Spiegel. Obwohl sie sehr weit weg zu sein schien, erreichten sie sie in kurzer Zeit. Erleichtert stellten Bryanna und Kaylee ihre Rucksäcke auf die Bank neben der Tür und folgten dem Seannachaidh ins Innere.
„Elder”, rief der Seannachaidh. Im Halbdunkel der Hütte konnte Bryanna kaum etwas erkennen. Der Umriss eines Mannes umarmte Stuart als wäre er ein lange vermisster Bruder.
„Schön, dass ihr da seid, Stuart.”
Als sich Bryannas Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah sie sich neugierig um. In dem Haus gab es nur einen einzigen Raum, der Küche, Wohn- und Schlafzimmer in eins zu sein schien. Ein älterer Mann in einer braunen Kutte begrüßte sie und Kaylee freundlich. Stuart stellte sie vor.
„Es ist mir eine Ehre, euch kennenzulernen.” Elder musterte sie lange. Dann zeigte er auf ein junges Mädchen, das am Fenster saß und ihre goldenen Haare mit einem silbernen Kamm kämmte. „Das ist meine Tochter Hope. Liebes, unsere Gäste sind sicherlich hungrig und durstig.”
Bryanna sah zweimal hin, aber die Haare des Mädchens waren tatsächlich golden, nicht blond. Sehr merkwürdig , dachte sie.
Hope begrüßte sie freundlich und ging in den Küchenbereich des Hauses. Sie nahm einen Kessel mit heißem Wasser vom Herd und goss es in eine Teekanne. Bald duftete es im ganzen Zimmer nach würzigen Kräutern. Elder bat seine Gäste, Platz zu nehmen und wenig später saßen alle bei freundlichem Geplauder mit einer Tasse heißem Tee und Haferkeksen vor dem offenen Feuer in der Mitte des Hauses. Bryanna fühlte sich wohl. Ihr Körper entspannte sich in der Wärme des Feuers und das Chaos in ihren Gedanken beruhigte sich. Sie lauschte den Geschichten und Erinnerungen des Seannachaidh und seines Freundes und freute sich über die angenehme Gesellschaft.
Nach einiger Zeit fiel ihr etwas auf. Irgendetwas ist hier seltsam , dachte sie. Ihr Blick fiel auf das Fenster, wo die grünen Hügel im Licht der Sonne funkelten, überlagert von einem lichten Bergwald mit Buchen, Fichten und Tannen. Da wurde Bryanna klar, was ihr an dem Haus so merkwürdig vorgekommen war.
„Dieses Haus ist gar nicht doppelt”, sagte sie. Alle starrten sie an.
„Wie meinst du das?”, fragte Kaylee.
Elder sah den Seannachaidh an. Er zog die Augenbrauen in die Höhe, spitzte leicht die Lippen und nickte. „Sie ist begabter, als ich gedacht hätte.” Er lächelte Bryanna zu.
„Dieses Haus ist eine Schwachstelle zwischen zwei Welten, nicht wahr?” Bryannas Blick wanderte zu Hopes goldenem Haar.
„Dieses Haus verbindet viele Welten.”
„Seid ihr auch Wächter?”
Elder schüttelte den Kopf.
„Ich bin die Verkörperung des Wissens der Vorfahren, und meine Tochter Hope ist die ewige Hoffnung auf Jugend und Schönheit. Nur wenige Menschen finden zu uns, und keiner von ihnen ging unverändert wieder heim.”
„Der letzte kam aus Alba von den Hängen des Ben Sidhe. Er hieß Corvan, Gorlas Sohn, und war auf der Suche nach seiner Schwester”, sagte Hope. „Er hatte ein Herz aus Gold. Wir haben ihm gern geholfen.”
„Kennt ihr meinen Vater?”, wollte Bryanna wissen. „Wisst ihr, wo er ist?”
Der Freund des Seannachaidh zuckte mit den Schultern und goss sich noch etwas Tee ein. „Wir kennen deinen Vater, obwohl er noch nie hier war. Wir wissen auch, dass es ihm im Moment gut geht.”
„Ihm mag es gut gehen, doch Alba und Schottland stehen kurz vor einer schweren Krise”, warf der Seannachaidh ein.
Elder nickte bedächtig. „Es ist unerläßlich, dass ihr neue Wächter bekommt. Es bleibt nicht mehr viel Zeit.”
„Wir tun unser Bestes”, sagte der Seannachaidh.
„Ich nehme an, ihr wollt als nächstes nach Tir-nan-Òg.”
„Nein, wir wollen nicht in das Land der Ewigen Jugend. Bryanna und Kaylee wollen zum Tigh-na-Bardachd.”
„Das Haus der Barden wird euch willkommen heißen. Es gab dort lange keinen Besucher aus Schottland mehr.” Elder reichte dem Seannachaidh eine gläserne Kugel. „Ich empfehle euch den oberen Weg zu nehmen. Er ist zwar etwas steiler, aber ihr seid schneller am Ziel.”
Stuart bedankte sich und nahm die Kugel.
Im selben Augenblick standen Bryanna, Kaylee und er auf einem
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