Schottlands Wächter (German Edition)
sich schließlich schlossen. Das Kind atmete leise und gleichmäßig.
„Als nächstes müsst ihr die Krankheit erkennen, damit ihr gegen sie vorgehen könnt.” Wie das Rauschen des Meeres durchdrang Annies Stimme Bryannas Bewusstsein und leitete sie. „Seht durch Millie hindurch. Entspannt euren Geist und seht auf ihr wirkliches Wesen.”
Bryanna starrte Millie an, bis ihre Augen tränten, sah aber nichts. Ich kann das nicht. Wieso glaubt Annie überhaupt, dass ich etwas kann, was sie nicht fertig bringt . Ein schwarzer Schatten flackerte auf und verdeckte Millie für einen kurzen Moment. Bryanna erkannte, dass ihre abschweifenden Gedanken dazu geführt hatten, dass sie den Schatten sah. Sie versuchte bewusst, die Gedanken schweifen zu lassen und, wie erwartet, tauchte der Schatten wieder auf.
„Ich sehe etwas”, flüsterte Kaylee.
„Etwas Dunkles”, fügte Bryanna hinzu.
„Das ist gut”, sagte Annies Stimme. „Nun versucht den Schatten zu halten und gleichzeitig Millie anzusehen. Das ist sehr schwierig, aber ich weiß, dass ihr es könnt.”
Bryanna probierte eine Weile herum, bis sie Millie durch den Schatten hindurch sehen konnte. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie dieses doppellagige Sehen bereits mehrfach angewendet hatte. Es ist die gleiche Art zu gucken, wie wenn ich zwei Welten gleichzeitig ansehe. Wie überraschend! Sie sah Annie an. Die Heilerin war von einer lichten Wolke umgeben und über ihrem Kopf schwebte eine strahlend weiße Flamme. Bryanna sah zu Kaylee. Auch sie war in eine leuchtende Wolke gehüllt. Die Flamme über ihrem Kopf war sehr viel größer als Annies. Sie glühte hellrot und flackerte gelegentlich weiß auf. Annie lächelte Bryanna an.
„Über die Flammen sprechen wir später. Millie ist jetzt wichtiger. Betrachte dir den Schatten genau.” Bryanna beugte sich wieder über Millie und untersuchte sie. Nach einer Weile fiel ihr auf, dass der Schatten an vielen Stellen dunkler war, als an anderen. Betroffen waren vor allem die Knochen. Annie bestätigte diese Beobachtung.
„An diesen Stellen sitzen die Wucherungen. Wären es nur eine oder zwei, hätte ich sie bezwingen können. So aber bin ich machtlos.” Sie legte Bryanna eine Hand auf den Arm. „Als nächstes braucht ihr die Flammen über euren Köpfen. Das ist eure Magie. Stellt euch vor, sie ist ein langes Messer, mit dem ihr die Wucherungen herausschneidet, ohne das gesunde Gewebe zu verletzen.”
Bryanna schluckte. „Wenn wir mit einem Messer daran gehen, wird die Kleine innerlich verbluten. Wir brauchen einen Laser.”
„Was ist ein Laser?”, fragte Kaylee. So gut es ging erklärte Bryanna ihr den gebündelten Lichtstrahl, der Gewebe schnitt und gleichzeitig die Wunde verschloss, so dass es nicht bluten konnte. „Stell dir vor, die Flamme über deinem Kopf ist so ein gebündelter Lichtstrahl. Wenn du ihn vorsichtig benutzt, wird er nur das vom Krebs befallene Gewebe zerstören.” Sie beugte sich über Millies Oberarmknochen und führte ihren »Laser« an die erste dunklere Stelle im Schatten. Nach wenigen Sekunden war die Stelle verschwunden und der ganze Schatten hellte sich ein wenig auf.
Nach einem Versucht trat Kaylee einen Schritt zurück und sah Bryanna an. „Ich krieg das nicht hin. Das Schneiden ist kein Problem, aber es blutet so sehr, dass ich Schwierigkeiten habe, die Wunde zu verschließen. Du musst das alleine machen.”
Bryanna nickte nur und wendete sich der nächsten dunklen Stelle zu … und der nächsten … und der nächsten …
Mit jeder Wucherung, die sie entfernte, wurde die Wolke um Millies Körper heller. Aber Bryanna spürte auch, dass sie jeder Tumor Kraft kostete. Ihr war heiß und bald fiel es ihr schwer zu atmen. Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Wenn mich Kaylee jetzt angreift, bin ich zu schwach, mich zu wehren.
In diesem Moment strömte neue Kraft in sie hinein. Diese Energie war wild und ungezähmt. Sie raste durch ihren Körper und erfrischte sie. Das Licht, dass sie zum Zerstören der Tumore benutzte färbte sich rot. Da wusste sie, dass die Kraft von Kaylee kam. Erleichtert arbeitete sie weiter.
Wenig später zerschnitt sie die letzte Wucherung. Die Wolke um Millie strahlte nun so hell, wie die von Annie oder Kaylee. Bryanna wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„So, das war‘s. Ich glaube, ich habe keine Wucherung übersehen.”
Annie umarmte sie.
„Das hast du wunderbar gemacht. Ich war mir nicht sicher, ob deine Kraft ausreichen würde. Du
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