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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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Haus herum zu seinem Auto. Dabei kam er an dem Pferdeanhänger vorbei und schaute aus reiner Gewohnheit kurz in die Garage. Dort stand ein ziemlich neuer Honda, nicht jedoch der Truck, den er erwartet hatte.
    ***
    Der Anruf wegen des Heroins kam eine Stunde später, als der Anwalt erwartet hatte. Der Fahrer hielt an und eilte um den Wagen herum, um die hintere Tür aufzureißen. Das Handy am Ohr, stieg der Anwalt aus. Er hatte einen beachtlichen Bauch und trug Hemd und Krawatte, den Kragen ein wenig gelockert, und eine feine Hose, die unterhalb seiner Bauchwölbung glatt herabfiel. Mit diesem Anruf seiner vietnamesischen Klienten hatte der Anwalt gerechnet, allerdings nicht so spät, und als er den Blick über sein Grundstück schweifen ließ, über den Rhododendron und die weiße Kiesauffahrt, sagte er dem Mann am anderen Ende der Leitung, er solle sich keine Sorgen machen. »Es hat eine kleine Verzögerung gegeben, aber morgen ist es da.«
    Der Fahrer fuhr davon und ließ den Anwalt vor dem weitläufigen Haus zurück, das auf der anderen Seite des Grundstücks aufs Meer hinausblickte und auf Metallstreben über der Hügelflanke schwebte. Tatsächlich hatte er keine Ahnung, wieso Grady das Mädchen nicht abgeliefert hatte. So ein Problem war bisher noch nie aufgetreten. Grady war immer sehr gründlich gewesen, immer pünktlich, immer sauber. Vielleicht hatte sich der Anwalt nicht deutlich ausgedrückt. Vielleicht hatte Grady gedacht, er würde liefern, wenn er beide Mädchen hatte. Der Anwalt wusste nichts Genaues. Er hörte den zornigen Tonfall des Mannes am anderen Ende der Leitung.
    »Ich habe schon jemanden geschickt, der das erste Mädchen vom Flughafen abholen soll.« Der Anwalt versuchte, nachzudenken, sich irgendeine Antwort einfallen zu lassen. »Die andere hat kalte Füße bekommen und ist in Vancouver wieder aus dem Flieger gestiegen. Mein Kontaktmann beim Zoll hat sie gefunden, und beide Sendungen werden morgen geliefert. Zwölf Uhr, neben dem Fähranleger im Stadtzentrum.« Der Anwalt klappte das Handy zu, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Er ging zur Stützmauer hinüber und zündete sich eine Zigarette an. Die Wipfel von Kiefern und Fichten stiegen aus der Landschaft empor. Ein Geruch nach umgegrabener Erde wehte von weiter unten am Hügel herauf, frischer Dung und Holzspäne, der schwache Zitronenduft der Kiefern. Der Anwalt hielt die glühende Zigarettenspitze von sich weg, so dass der Wind ihren Rauch erfasste. Er spürte den Rauch in der Lunge, so heiß wie sein eigenes Blut. Weit in der Ferne konnte er die andere Seite der Meerenge sehen, den verschwommenen Umriss von Land jenseits des Wassers, grün und von schwelendem Nebel bedeckt, als hätte man frisch abgehackte Äste auf ein Feuer gelegt. Noch immer hielt er das Telefon in der Hand, und nachdem er tief an seiner Zigarette gezogen und den Rauch durch die Nasenlöcher wieder in die Welt entlassen hatte, wählte er Gradys Nummer und wartete darauf, dass sich jemand meldete.
    ***
    Eddies Bayliner war am Ende des Stegs festgemacht, gerade mal fünfzehn Meter von der Rampe entfernt.
    Hunt hatte schon vor Jahren aufgehört, Drogen in dem Ding zu verstecken. Früher hatte er sich ein Beispiel an den erfahrenen Schmugglern genommen, die ihre Ware in den Autoreifen über die Grenze geschafft hatten, hatte jeden der aufblasbaren Fender mit breiten Rollen gerolltem, vakuumverpacktem Kokain gefüllt und sie für alle sichtbar über die Reling gehängt. Mit diesen länglichen Fendern war er jetzt beschäftigt, schraubte die falschen Böden ab und überprüfte die Hohlräume, in denen er die Drogen später unterbringen würde. Die Fender, eigentlich bloß halbdurchsichtige, mit einem Deckel und einer Gummidichtung verschlossene Luftbehälter, waren luftdicht. Sie waren ideal für Drogen, leicht vom Boot loszuschneiden, leicht erreichbar und oft übersehen, genau wie bei den Schmugglern in den Florida Keys, die ihre Drogen in Fiberglasfächern, die Blister genannt wurden, unten an ihren Bootsrümpfen anbrachten. Hunt brauchte etwas, das er leicht und schnell über Bord gehen lassen konnte.
    Der Bayliner hatte zwei Mercury-Motoren, zusammen sechshundert PS, und genug Treibstoff, dass er sich angemessen verirren konnte. Er zog die Abgeschiedenheit der Berge vor, doch so würde es auch gehen; so hatte er angefangen, all diese Jahre zuvor.
    Ein Mann und seine Tochter saßen auf dem nächsten Steg und zupften gebratenes Hühnchen in eine Krebsreuse. Die Tochter,

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