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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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vorhätte, sich den Teufel aus dem Leib zu reißen, ihn bei den Hörnern zu packen und ihm die Zähne bis tief in den Rachen zu treten. Sie hatten gesagt, das sei ein Schritt in die richtige Richtung. Da hatte Grady gegrinst; er hatte sich vorgestellt, wie sein Fuß so tief im Schlund des Teufels steckte, dass er mit den Zehen Satans Herz kitzelte.
    Er sah zu, wie die kleine Vietnamesin einstieg und die Tür zuschlug. Schon jetzt nahm er Maß. Fünfundvierzig Kilo. Irgendwo hatte er gelesen, dass der menschliche Magen sich so weit ausdehnen konnte, dass er bis zum Fünfzigfachen seines Ruhevolumens fasste. Er ließ den Motor an und fuhr zum Highway hinaus. Als er sich sicher war, dass keine Cops in der Nähe waren, griff er ihr unter die Bluse und befühlte ihren Bauch. Sie schlug ihm heftig auf die Hand und sagte etwas auf Vietnamesisch, das er nicht verstand.
    Die Haut unter seiner Hand spannte sich glatt und straff. Man hatte ihm gesagt, er solle sie zu den Vietnamesen bringen. Dafür wurde er bezahlt, das waren seine Anweisungen. Doch als er sie ansah, konnte er nicht anders, ein kleines Stück in seinem Innern löste sich aus der Verankerung. Der Anwalt wurde dafür bezahlt, Drogen zu liefern, keine jungen Dinger wie dieses hier. Keine kleinen Mädchen wie dieses hier. »Ich kann’s gar nicht erwarten, dich nach Hause zu bringen«, sagte er.
    Sie antwortete nicht, sondern starrte einfach weiter durch die Windschutzscheibe auf den Highway, auf eine Welt, die sie noch nicht verstand.
    ***
    Drake erwachte früh. Er machte sich eine Tasse Kaffee in der kleinen Kaffeemaschine und sah zu, wie sich die Stadt von Blau zu Grau verfärbte. Dann schenkte er sich eine zweite Tasse ein und setzte sich in den großen Sessel, der vor dem Fernseher und der Frisierkommode stand. Sheri schlief noch, und er konnte das sachte Ziehen ihres Atems hören. Er hatte kein Licht gemacht, doch die frühmorgendliche Sonne drang durch den Vorhang, und er sah, dass sie halb unter der Decke lag, so wie immer.
    Die Tasse noch immer in der Hand, zog er sich an. Knapp zehn Jahre regelmäßiger Dienst hatten ihm das frühe Aufstehen antrainiert, und er konnte doch nicht den Rest des Tages hier herumsitzen, im Hotelzimmer versteckt. Es behagte ihm nicht, sich nicht auszukennen. Die Stadt war etwas, das er nicht kannte, doch er dachte bei sich, dass sie genauso war wie alles andere: etwas, das er erleben musste, um es zu verstehen.
    Er trug Jeans und ein Hemd darüber, um seine Pistole zu verbergen. Draußen war es warm, und er trug die Waffe in einem Holster hinten im Kreuz. Er mochte das Gefühl nicht, keine Kontrolle über die Dinge zu haben. Das war etwas, woran er sich oben im Norden gewöhnt hatte, und es war etwas, das er verstand. Ein Stück die Straße hinunter war ein kleines Café; er machte dort halt, kaufte sich ein Croissant und ging weiter. Die Busse fuhren, und die Straßen füllten sich mit Menschen. Hin und wieder warf ihm ein Mann im Anzug oder eine vorbeikommende Frau einen fragenden Blick zu. Er trug seinen Cowboyhut, und er nahm ihn ab und murmelte ein Guten Morgen.
    Drake ging zum Markt hinunter und setzte sich auf eine Bank, von der aus man auf die Meerenge hinausblicken konnte. Es war das erste Mal seit zehn Jahren, dass er Wasser sah, das so groß und so grün war. Am Fähranleger sah er einen Mann um Essen betteln. Er trug ein Schild um den Hals, auf dem »Schwanger und hungrig« stand, und vollführte immer wieder dieselben Tanzschritte. Drake sah ihm eine Weile zu, dann ging er ins nächste McDonald’s und kaufte dem Mann einen Egg McMuffin. »Hier«, sagte er und hielt ihm die Tüte hin.
    Der Mann nahm sie und spähte hinein. »Wollen Sie mich umbringen?«
    Drake wusste nicht, was er sagen sollte.
    Der Mann trat auf den Gehsteig und überraschte eine Frau, die gerade vorbeikam. »Hier«, sagte er. »Nehmen Sie das.«
    Am Federal Building angekommen, telefonierte Drake nach dem DEA-Agenten herum, doch niemand hatte ihn gesehen. Er wartete eine Stunde in der Lobby, drehte seinen Hut auf dem Finger und sah zu, wie die Leute durch die Metalldetektoren gingen. Um zwölf ging er wieder zum Hotel zurück und fuhr im Fahrstuhl nach oben. In der Edelstahltür sah er eine Frau, die ihn anstarrte. Er nahm den Hut ab und hielt ihn sich vor die Brust.
    Auf dem Boden seines Zimmers lag eine Nachricht von Sheri, auf Hotel-Briefpapier geschrieben. Er hob das Blatt auf und las sie, dann drehte er es um, schrieb eine Nachricht und

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