Schreckensbleich
Kaugummi und einen Satz Autoschlüssel. Unter dem Mann bildete sich eine stetig wachsende Blutlache. Als Grady zurücktrat, konnte er das Muster seiner Sohlen auf dem weißen Linoleum sehen.
Er schaute zu dem blinkenden roten Licht einer Überwachungskamera hinauf. Dann suchte er nach dem Rekorder, konnte ihn jedoch nicht finden. »Scheiße«, knurrte er. Dafür war keine Zeit. Er schaltete die Zapfsäulen ein, nahm die AR-15 und lud ihr ein neues Magazin in den Bauch.
Dann legte er das Messer wieder in den Koffer und zog den Reißverschluss zu.
Sein Gewehr und seinen Koffer in den Händen, verließ er das Tankstellengebäude, ging rasch zum Wagen des Tankwarts und warf beides hinein. Bei geöffneter Wagentür lauschte er der Nachtluft. Der Regen war weitergezogen, und er hörte nur das hohe Sumpfgras im Wind rascheln. Keine Motorengeräusche. Kein Klirren von bewaffneten Männern, von Ausrüstung oder von sonst etwas.
Er fuhr den Wagen zu den Zapfsäulen und besprühte sie von oben bis unten mit Benzin, ließ die Zapfpistole auf Dauerbetrieb gestellt und das Benzin weiterlaufen. Dann fuhr er zum Rand der immer größer werdenden Lache und zündete sie an, sah zu, wie die Flammen den Zement entlang auf die Zapfpistole zugesaugt wurden. Als die Zapfsäulen hochgingen, war er bereits unterwegs.
***
Die Häuser waren alle aus Holz, manche hatten ein Obergeschoss, die meisten jedoch waren einstöckige Fertighäuser, die sich in Reihen an der Straße entlangzogen. Hunt konnte sich nicht erinnern, welches davon seinem Freund gehörte. Sein Verstand funktionierte nicht richtig. Er blieb stehen, bemühte sich, sein Blickfeld neu einzustellen, versuchte, sich zu orientieren, doch der Schmerz in seinem Bein lastete schwer auf ihm, heiß wie geschmolzene Lava. Sein Kopf schwebte über seinen Schultern, zerrte an der Schnur. Die grünen Kiefern, die sie umgaben, nahmen das Licht aus Küchenfenstern und Hauseingängen auf. Bäume und Büsche waren gewachsen, seit er das letzte Mal hier gewesen war. Nichts sah so aus wie früher. Hunt nahm die Tasche von der Schulter und stellte sie auf den Asphalt, dann holte er die Browning hervor und ließ das Magazin herausschnappen. Wassertröpfchen hingen an den Kugeln. Er pustete in das Magazin, dann ließ er es wieder einrasten. Als Nächstes zog er den Schlitten nach vorn und schlug gegen das Schloss. Er wusste nicht, ob die Waffe funktionieren würde, wenn es darauf ankam, doch sie war alles, was er hatte, und er hielt sie fest umklammert. Dann blickte er zu den Häusern hinauf. Eines davon war das, nach dem er suchte. Hunt versuchte, sich zu erinnern. Er musste sich entscheiden.
Er klopfte an eine Haustür, bis das Licht anging. Der Mann, der an der Tür erschien, trug Sweatshorts und ein weißes Unterhemd, in der Hand hielt er einen kleinen Baseballschläger. Hunt trat zurück, und der Mann schaute auf Hunt und Thu herab. In dem körnigen Licht hinter der Fliegentür konnte Hunt den grob geschorenen Kopf des Mannes erkennen, seine dunkle Haut und die beinahe entspannte Art und Weise, wie er den Schläger hielt. Er konnte nicht sagen, ob dies sein Freund war.
»Wir hatten Unfall«, sagte Thu. Der Mann, der Hunt eingehend gemustert hatte, richtete den Blick jetzt auf das Mädchen.
Eine Frau erschien hinter dem Mann im Türrahmen und drückte die Tür auf, um Hunt und Thu besser sehen zu können. Ohne die Fliegentür zwischen ihnen war Hunt sich sicher, dass der Mann ihn wiedererkannte, zehn Jahre älter, aber immer noch derselbe. Hunt zog die Schultern hoch, so als wäre ihm vielleicht kalt, mit derselben Bewegung schob er die Pistole in die Gesäßtasche und hoffte, dass die beiden sie nicht gesehen hatten.
Der Mann trat zurück und ließ seine Frau vorbei. »Nancy«, sagte er und deutete mit dem Ende des Baseballschlägers in Hunts Richtung, »das ist Hunt, ein alter Freund.«
»Ich wusste gar nicht, dass du verheiratet bist, Roy«, bemerkte Hunt.
»Was geht hier eigentlich ab?«, wollte Nancy wissen.
Thu trat vor. »Wir hatten Unfall.«
»Ist jemand verletzt?«, fragte Nancy.
Thu schaute von der Frau zu Hunt.
»Wenn wir kurz reinkommen dürften«, sagte Hunt. Er verlagerte sein Gewicht, und der Schmerz war deutlich auf seinem Gesicht zu lesen.
»Oje«, sagte Nancy. »Mach doch mal Platz, Roy.« Sie öffnete die Tür weit. Thu griff nach der Klinke, als sie aufschwang.
Roy trat zur Seite, wurde in die Küche hinter ihm zurückgedrängt. Thu hielt immer noch die
Weitere Kostenlose Bücher