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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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durch das nahe gelegene Unterholz zu Boden tröpfeln hören.
    Sie ging in den Stall zurück und griff sich den dritten Sattel. »Das hat er nicht gesagt. Er hat nur gesagt, er meldet sich, wenn er etwas findet, wo er sicher ist.«
    »Das ist doch Wahnsinn, Nora.«
    »Ich weiß nicht, was das ist, aber ich glaube wirklich, wir sollten nicht hier rumhängen und drauf warten, dass wir’s herausfinden.«
    »Das wissen wir doch gar nicht.«
    »Weißt du irgendwas, was ich nicht weiß?« Nora packte den Sattel auf eine kleine Bank. Sie machte sich daran, Pferdedecken für drei Pferde zusammenzufalten, und als sie damit fertig war, hob sie den Sattel an, der ihr am nächsten war, und legte ihn über die Decken.
    »Ich weiß überhaupt nichts«, beteuerte Eddie; er hielt das Handy hoch und zeigte es Nora. »Mir gefällt einfach die Vorstellung nicht, so abzuhauen.«
    »Hör zu, auf jeden Fall müssen wir den Truck holen. Denken wir erst mal daran.«
    »Und was dann?«
    »Und dann fahren wir irgendwohin, und wir werden uns über das alles hier klar.«
    »Mir gefällt das nicht, Nora.«
    »Hab ich etwa gesagt, dass es mir gefällt?«
    »Wie hat es sich angehört, als du mit ihm gesprochen hast?«
    »Es hat sich angehört, als ob es unheimlich windig war, als ob unheimlich viel Wasser in der Nähe war und als ob jemand hinter ihm her ist.«
    »Das wissen wir doch gar nicht.«
    »Er hat gesagt, jemand hat auf ihn geschossen. Was soll ich daraus schließen?«
    »Ich weiß es nicht. Es macht mir einfach Sorgen, dass wir uns Hals über Kopf in etwas stürzen, worüber wir überhaupt nichts wissen.«
    »Was willst du denn machen? Was kannst du tun?«, stieß Nora hervor. Sie hörte auf, den Pferdehänger zu beladen, stand da und sah Eddie mit festem Blick an. »Glaubst du, sie versuchen, ihn umzubringen?«, fragte sie. »Glaubst du, es ist der Mann, für den du arbeitest? Was denkst du?«
    Eddie hob die Hände. »Immer mit der Ruhe, Nora. Immer mit der Ruhe.« Er konnte sehen, wie sie ihn anstarrte. Nora rührte sich nicht. Drei Meter voneinander entfernt standen sie da. »Lass es mich noch mal probieren, das ist alles, lass es mich bloß noch einmal versuchen und sehen, ob ich ihn zu fassen kriege.« Er hob das Handy und drückte die Wahlwiederholungstaste.
    ***
    Das erste Auto, das er gesehen hatte, war langsamer geworden und hatte fast angehalten, doch als es näher gekommen war und der Fahrer den Koffer und den Gewehrlauf dahinter erkennen konnte, war der Wagen mit Vollgas die Straße hinunter davongeschossen. Grady versuchte, nach ihm zu greifen, dachte irgendwie, wenn er das Auto mit den Händen berühren könne, dann könne er es anhalten. Wieder hatte er Blut in den Augen, eine glitschige Schicht aus der Platzwunde an seiner Stirn. Er prallte am Blech ab, fühlte, wie der Wagen an ihm vorbeiglitt. Rasch hob er das Gewehr und feuerte eine Salve ab. Die Heckscheibe zersplitterte, doch das Auto fuhr weiter, und er sah keine Bremslichter aufleuchten.
    Überall um ihn herum fiel Regen vom Himmel; ein Geruch von Seegras lag in der Luft, der Erd- und Tanggeruch des Meeres, und der Wind blies ihn von den Dünen auf die Straße hinauf. Er rannte weiter. Irgendwo hinter sich konnte er das hohe Jaulen eines Bootsmotors hören, und bei einem Kutter von dieser Größe tippte er auf zwei Beiboote, möglicherweise zwölf Mann. Sie hatten von dem Kutter aus Pistolenschüsse auf ihn abgegeben, waren in jenen ersten Momenten vielleicht zu verdattert gewesen, um in die Waffenkammer zu stürzen. Doch er wusste jetzt, dass es schlimmer werden würde.
    Grady rannte weiter, seine Lunge pumpte stetig in seinem Brustkorb, die Lichter zogen in weiten Abständen über ihm vorbei, und die Straße war von Dunkelheit und dem Geräusch seiner Schuhe erfüllt. Er kam unter einer Bogenlampe vorbei und sah zu, wie sein Schatten länger wurde und ihm entwuchs. Die Straße, auf der er dahinrannte, war eine lange Mole; auf der einen Seite das Meer, auf der anderen Schlickbänke, wo brackige Meerwasserteiche lagen und auf die Flut warteten. Er konnte die stinkenden Gezeitentümpel riechen.
    Wieder das Motorengeheul, dann der Wind, und dann hörte er es nicht mehr. Einen halben Kilometer entfernt war eine Lichtaura zu sehen, gelb und rot, und er begriff, dass er die Rückseite einer Tankstelle vor sich sah. Diese Rückseite, dem Meer zugewandt, war nichts als schwarzer Schatten, doch jetzt konnte er die Vorderseite in der Nacht leuchten sehen. Dort würde er

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