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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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müssen, aber der Verstand geht woandershin, wenn eine Knarre auf einen gerichtet ist.«
    »Am besten holt man das Zeug so schnell wie möglich aus dem Körper raus.«
    »Du wolltest sie schützen?«
    »Ich habe versucht, ihr das Leben zu retten.«
    »Stimmt das?«
    »Natürlich stimmt das.«
    »Ich würd’s ja gern glauben, allerdings weiß ich nicht, ob es die Wahrheit ist.«
    »Was soll’s denn sonst sein?«
    »Wie viel ist sie wert?«
    »Ich rufe keinen Preis für sie auf.«
    »Einen Preis für sie oder für die Drogen?«
    Hunt schwieg. Er sah aus dem Fenster; das Feuer erlosch allmählich, und Roy stand daneben und bewachte es.
    »Findest du das richtig?«, wollte Nancy wissen.
    »Ich finde schon seit einer ganzen Weile überhaupt nichts mehr richtig.«
    ***
    Grady erwachte und blickte nach Osten, wo er die kastanienrote Sonne aufgehen sah. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht; zum Schlafen hatte er die Rückenlehnen seines Sitzes ganz nach hinten geklappt. Mit den Fingern wischte er sich den Schlaf aus den Augenwinkeln, harte Krümel zwischen Daumen und Abzugfinger. Dann richtete er sich auf und schaute auf den Feldweg hinaus.
    Auf dem Sitz neben ihm lag der Messerkoffer; der Reißverschluss war offen, und der Rand des Gewehrkolbens war zu sehen. Grady atmete ein und schaute über die Schulter, dann wieder zurück, nichts zu sehen. Er zog den Reißverschluss zu. Ein dummer, unsauberer Fehler.
    Wieder sah er sich um, dann ließ er den Motor an. Aus der Tasche zog er das halbe Päckchen Kaugummi, das er dem Tankwart abgenommen hatte. Er hatte Hunger, und er kaute ein Kaugummi, um nicht daran zu denken. Er hatte eine Stunde geschlafen, nervös und mit den Erinnerungen an die vergangene Nacht.
    Er hatte einen Ruf zu wahren: Das war die einzige Gewissheit in seinem Denken. Schon jetzt lag er einen Tag hinter dem Plan zurück, und es gefiel ihm nicht, der Gejagte zu sein; genauso wenig behagte es ihm, zu jagen. Stattdessen zog er es vor, einander von Angesicht zu Angesicht zu begegnen und gleich an Ort und Stelle Nägel mit Köpfen zu machen. Doch die Bootsrampe war nicht der richtige Ort gewesen. Zu früh und zu öffentlich. Und die Drogen: Er hatte sie nicht, doch er konnte sich denken, wo sie waren.
    Er fuhr den Feldweg hinunter. Als er an einem Mähdrescher vorbeikam, winkte er. Kein Grund, unfreundlich zu sein. Überhaupt kein Grund. Er fuhr weiter und überlegte, was er als Nächstes tun würde.
    ***
    Nora hakte die Finger um den Rand des Rollos. Niemand konnte wissen, wo sie waren, aber trotzdem war sie nervös. Sie zog das Rollo weit genug auf, um auf den Parkplatz hinaussehen zu können. Ein Stück weiter die Straße hinunter leuchtete der rote Schein eines Fast-Food-Restaurants mit angegliederter Tankstelle. Eine dieser Kombi-Raststätten, wo Reisende volltanken und sich dabei noch einen Burger holen konnten.
    Eddies Auto stand vor seinem Motelzimmer; ihre Räume waren durch eine Verbindungstür getrennt, die Nora längst zugemacht hatte. Sie konnte den Fernseher hören, aber nicht laut genug, um zu erkennen, was er sich ansah. Ihr Handy lag ins Bettzeug gewühlt da. Wann hatte sie Hunt das letzte Mal angerufen? Sie versuchte, sich zu erinnern. Sie konnte nicht denken; sie hatte kaum geschlafen und zu viel ferngesehen. Gegen fünf Uhr früh hatte sie die Kiste ausgeschaltet. Und eine Weile hatte sie auf die schwarze Straße geschaut, auf den Lichtschein der Tankstelle. Alles Mögliche schien sich in der Nacht zu bewegen, doch sie wusste, dass das nicht stimmte. Es war bloß der Wind in den Bäumen. Nahe am Wasser standen Birkenreihen, die nachts bleich und gespenstisch aussahen.
    Wann hatte sie Hunt das letzte Mal angerufen? Nora ging zum Bett hinüber und suchte das Handy hervor. Als Hunt sich meldete, sagte sie: »Herrgott noch mal.«
    »Herrgott noch mal?«, fragte Hunt.
    »Wieso bist du nicht rangegangen, als ich angerufen habe?«
    »Hab’s wohl einfach nicht gehört.«
    »Wo bist du?«
    »Oben im Norden. Hätt’s fast nicht geschafft.«
    »Wie meinst du das, ›fast nicht geschafft‹?«
    »Das Boot ist hin. Gesunken.«
    »Ist dir was passiert?«
    »Hab ein bisschen was am Bein abgekriegt.«
    »Ein bisschen?«
    »Das wird wieder. Hast du getan, was ich gesagt habe?«
    »Ja, Eddie und ich sind im Motel.«
    »Und die Pferde?«
    »Drei sind hier.«
    »Gut.«
    »Soll ich dich abholen?«
    »Jetzt noch nicht.«
    »Ich kann da raufkommen.«
    »Nein, ich glaube, es ist am besten, wenn du das nicht

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