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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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draußen wird das Wasser schnell tief.«
    »Danke«, sagte er noch einmal.
    Nancy ließ sich das einen Moment lang durch den Kopf gehen, dann warf sie ihm die Zeitung zu. »Von gestern«, sagte sie. Sie wies ihn an, den Lokalteil aufzuschlagen. »Ich weiß, du und Roy, ihr kennt euch schon lange, aber Ärger von dieser Sorte können wir nicht brauchen. Verstehst du?« Mit verschränkten Armen stand sie da, auf der anderen Seite des Zimmers, und wartete darauf, dass er auf die Zeitung in seinen Händen hinabblickte.
    Hunt überflog den Bericht, nur ein kleiner Artikel, eine Textspalte. Er sah nirgends seinen Namen, und nachdem er den Text zu Ende abgesucht hatte, sah er zu Nancy auf und fragte: »Woher weißt du, dass ich das war?«
    »Roy hat gesagt, so was wäre genau dein Ding.«
    Wieder schaute Hunt auf den Artikel hinunter. Ein Schwarzweißfoto von dem Deputy, der sie in den Bergen aufgehalten hatte, war auch dabei. Es war körnig, wahrscheinlich ein Bild aus seinem Polizeiakademie-Jahrbuch. Der Nachname war ihm vertraut. Drake. Hunt hatte vor ein paar Jahren einen Sheriff gekannt, der so hieß.
    »Da steht, dieser Deputy hatte einen Vater, der dasselbe gemacht hat wie du.«
    »Der war da oben Sheriff.«
    »Das steht auch in dem Artikel«, meinte Nancy. »Du solltest ihn lesen. Du willst doch nichts Wichtiges verpassen.«
    Hunt betrachtete Drakes Foto eingehend. Drake war noch ein Junge gewesen, als Hunt seinen Vater gekannt hatte, hatte irgendwo Basketball gespielt. Das war alles, was Hunt wusste. Er hatte nur ein- oder zweimal mit dem Sheriff gesprochen, immer nur übers Geschäft, der Mann war lediglich ein Konkurrent gewesen. »In letzter Zeit wird mir klar, dass ich in meinem Leben eine ganze Menge verpasst habe«, bemerkte er.
    Er hatte an den Jungen gedacht, wie er seinen Vater verloren hatte. Hunt hatte sich genauso gefühlt; sein Vater war verschwunden, aber aus anderen Gründen. Er hatte immer gedacht, wenn er einen Sohn gehabt hätte, dann hätte ihn das verändert. Das hätte bedeutet, dass er jemanden gehabt hätte, der zu ihm gehörte, eine Familie, jemanden, den er beschützen, auf den er aufpassen musste. Er dachte an Nora, er dachte an Eddie, an die Pferde. In letzter Zeit kriegte er das alles nicht besonders gut hin. Er gab sich Mühe, doch es war nicht so gekommen, wie er gewollt hatte. Überhaupt nicht. »Scheint, als ob jedem, mit dem ich in den letzten paar Tagen zu tun hatte, etwas passiert ist«, meinte Hunt.
    »Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber solchen Ärger können wir nicht brauchen«, sagte Nancy noch einmal.
    »Es tut mir leid«, antwortete er. »Ich sollte verschwinden.« Hunt schaute aus dem Fenster auf Roy, der gerade mit einer Schaufel die Decke ins Feuer drückte.
    »Roy ist derjenige, bei dem du dich entschuldigen solltest. Er geht hier das Risiko ein. Allein dass du hier bist, reicht schon aus, um ihn wieder in den Knast zu bringen«, sagte Nancy. »Wenn’s nach mir ginge, wärst du schon gestern Nacht rausgeflogen. Zurück auf die Straße und raus aus diesem Haus.«
    »Wir wären schon klargekommen«, meinte Hunt. »Aber ich bin dankbar für die Hilfe.«
    »Nein, ihr wärt nicht klargekommen. Du bist mit deiner Knarre in der Hand eingeschlafen. Du konntest kaum laufen. Kannst du jetzt auch nicht.«
    »Ich komme schon zurecht.«
    »Roy kann manchmal genauso stur sein wie du, und selbst er will, dass du dir ein bisschen Zeit lässt.«
    »Ich glaube nicht, dass mir das irgendetwas nützt.«
    Sie schwieg eine Weile, betrachtete ihn einfach nur, die Wade verbunden, das Hosenbein so lächerlich kurz gekappt. Er stand da, während das blasse Morgenlicht durchs Fenster fiel, und studierte die Zeitung in seiner Hand. Als er von dem Artikel aufsah und ihre Blicke sich begegneten, sagte sie: »Du trägst einen Ehering. Hast du irgendwo eine Frau, zu der du zurückwillst?«
    »Ich habe eine Frau.«
    »Liebst du sie?«
    »Natürlich liebe ich sie.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Woher weißt du, dass es nicht sie da drüben im Schlafzimmer ist?«
    »Das ist sie nicht.«
    »Woher weißt du das?«
    »So was würde ein Mann seiner Frau nicht antun.«
    »Was würde er ihr nicht antun?«
    »Sie so vollzustopfen wie einen Koffer.«
    »Du hast es gesehen?«
    »Bin auch so draufgekommen. War ja nach gestern Nacht nicht mehr schwer. Wenn ein Mann halbtot vor der Tür aufkreuzt, und alles, was er will, ist ein Abführmittel, dann hat man ein Problem. Das hätte uns gleich hellhörig machen

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