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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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wusste, dass er für eine ganze Menge würde geradestehen müssen, wenn diese Situation nicht schnell bereinigt werden konnte. Er gab Grady Hunts Adresse in Auburn. Er gab ihm den Namen der Ehefrau. Er gab ihm eine Beschreibung von Eddie und ließ es dabei bewenden.
    ***
    Zwei Männer saßen in einem Lexus mit getönten Scheiben und sahen zu, wie die Touristen um die Fähranleger in der Innenstadt herumwuselten. Einer der Männer, in einen Armani-Pullover gekleidet, beugte sich auf seinem Sitz nach vorn und warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Er blies Zigarettenrauch aus. Musik ertönte leise aus der Stereoanlage.
    »Wie spät ist es?«, wollte der zweite Mann wissen. Er trug einen ähnlichen Pullover, mit Rollkragen und einem kleinen aufgestickten Reiter links auf der Brust. Die Ärmel waren zu lang für ihn, und er schob sie ständig hoch. Die beiden Männer sprachen Vietnamesisch, beide waren Anfang dreißig.
    »Das ist doch Scheiße«, knurrte der Mann in dem Armani-Pullover. »Wir hätten einfach selbst da rauffahren sollen.«
    »Sie hat sich dämlich angesellt. Echt dämlich, so einfach wieder aus dem Flieger zu steigen.«
    »Wir hätten sie selbst holen sollen.«
    »Solche Probleme brauchen wir nicht. Dafür bezahlen wir schließlich den Anwalt. Wir wären an der Grenze angehalten worden. Da gibt’s gar keinen Zweifel.«
    »Wenigstens wüssten wir dann etwas. Wenigstens hätten wir dann eine Ahnung, was eigentlich los ist.«
    »Und was ist Sache mit dem anderen Mädchen? Mit der, die gestern ankommen sollte?«
    »Der Anwalt verarscht uns, das ist Sache.«
    »Was willst du da machen?«
    »Mir gefällt das nicht, so zu arbeiten. Aber wir tun’s, weil es nicht anders geht. Wenn du ein besseres System findest, sag mir Bescheid. Eigentlich hätte sie direkt vom Flughafen geliefert werden sollen.«
    »Dämliche Tussi.«
    »Scheiß auf die Tussi. Hauptsache, wir kriegen, was sie drin hat.«
    »Was willst du machen?«, fragte der Mann im Armani-Pullover. Er hob die Hand an den Mund und nahm die Zigarette heraus. Entspannt saß er im Wagen, die Verspätung des Mädchens störte ihn nicht. Das Einzige an ihm, was sich rasch bewegte, war sein Mund.
    »Ruf noch mal den Anwalt an.«
    Der Mann beugte sich vor und legte die Zigarette in den Aschenbecher. Er wählte die Nummer.
    Als sich die Sekretärin meldete, sagte er: »Ich will den Anwalt sprechen.« Die Sekretärin hängte ihn in die Warteschleife.
    Der Mann im Rollkragenpullover sah ihm vom Beifahrersitz aus zu. »Bleib locker«, sagte er.
    »Zwei Mädchen sind in ein Flugzeug gestiegen, und keins von beiden ist aufgetaucht. Klingt locker, aber nichts an all dem ist locker.«
    Die Empfangsdame meldete sich wieder und teilte ihm mit, dass der Anwalt heute Morgen nicht in die Kanzlei gekommen sei.
    »Sagen Sie ihm, er soll unsere Mädchen finden. Und es wäre besser, wenn das schnell passiert.«
    ***
    Das Einzige, was Grady wusste, war, dass Hunt sich absetzen würde. Wäre Hunt klug gewesen, so wäre er an ein und demselben Ort geblieben und hätte Grady ihn finden lassen. Doch er wusste, dass Hunt das nicht tun würde. Er war schon lange auf der Flucht. Lass es enden, dachte Grady, lass es einfach vorbei sein. Trotzdem empfand er bei dieser Jagd eine gewisse Erregung. Sie gefiel ihm nicht, doch er konnte sie würdigen. Der kleine lose Faden, das Zufallselement, etwas, das er nicht einkalkuliert hatte.
    Er holte den kleinen Zettel mit den Informationen über Hunt aus der Tasche und überflog ihn. Vor ihm zog sich die Interstate immer weiter. Hinter der Fünfundsiebzigsten fuhren Autos ab, und er konnte sehen, wie die Schnellstraße gerade wurde, sah das Breitwandpanorama der Stadt vor sich. Grady fuhr weiter, hatte die Adresse im Kopf. Er legte den Zettel aufs Armaturenbrett, gleich neben den Tacho, und behielt beides im Auge.
    Als er ausstieg, stand er lange da und betrachtete Hunts Haus. Er war daran vorbeigefahren und hatte den Wagen einen knappen halben Kilometer entfernt auf dem Seitenstreifen abgestellt. Durch die Bäume konnte er die Neigung des Daches erkennen. Tiergeruch umgab ihn. Der Dunst von Pferdemist wurde mit der scharfen, kalten Luft herangetragen. Er holte seinen Koffer aus dem Auto und ging die Straße hinauf; jetzt joggte er und merkte, wie der Wind ihn erfasste. Als er einen kleinen Reitweg fand, der in den Wald führte, folgte er ihm und hielt sich hinter den Bäumen, um das Haus zu beobachten. Er versuchte, sich unbemerkt

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