Schreckensbleich
Pferdes. Er konnte die Muskeln fühlen, das gepflegte Fell. Unwillkürlich versuchte er, sich zu erinnern, ob er dieses Pferd gestern gesehen hatte. Doch dann schob er den Gedanken beiseite.
»Dieser Kerl, dieser Hunt, der sollte lieber richtig gut reiten können. Dem ist ganz schön was auf den Fersen.«
»Ich wünschte, ich hätte ihn damals am ersten Tag erwischt.«
»Nein, lieber nicht. Er wäre in der Arrestzelle draufgegangen, genau wie der Junge.«
»Nein, lieber nicht«, wiederholte Drake. »Meinen Sie, er hat eine Chance?«
»Ich glaube, wenn wir ihn zuerst kriegen, dann ja. Dann soll er mal mit ein paar Namen rausrücken. Ich kann nicht behaupten, dass er um einige Zeit im Knast herumkommen wird, aber das ist bestimmt besser als das, was jetzt da draußen hinter ihm her ist.«
Drake blickte auf das Pferd hinunter; milchige Augen, die Fliegen landeten bereits. »Der Anhänger ist nicht da. Und der Lincoln auch nicht. Der Honda, den ich gestern gesehen habe, steht total verkohlt da, wo früher die Garage war.«
»Glauben Sie, eines von diesen Fahrzeugen ist auf einen richtigen Namen zugelassen?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Ich kann’s ja mal bei der Zulassungsstelle durchlaufen lassen und sehen, was passiert.«
»Der Lincoln hat den Hänger jedenfalls nicht gezogen, als sie von hier weg sind.«
»Was Großes?«
»Nach dem, was ich gesehen habe, bestimmt.«
»Wie viele Pferde haben Sie gestern gezählt?«
Drake sah sich um. Weit draußen, in der Mitte der Weide, konnte er das dritte erkennen. »Mehr als die hier«, antwortete er.
***
Es klopfte abermals an Eddies Tür. Er überprüfte den Schlitten der kleinen Pistole und schob sie sich dann hinten in den Gürtel. Auf dem Bett lag der aufgeklappte Kasten, innen Schaumgummi mit Fächern für vier Magazine und einen abschraubbaren Schalldämpfer. Er schob ihn unter das Bett. Er hatte die Pistole noch nie benutzt.
Als er das Auge gegen den Türspion drückte, sah er Nora draußen stehen. Er räusperte sich. Es wurde gerade erst dunkel, und hinter ihr konnte er Autos auf der Straße vorbeifahren sehen.
Sie drehte sich um, als eines davon spritzend durch eine Pfütze fuhr, das Geräusch nasser Reifen auf Asphalt. Eddie öffnete die Tür, und augenblicklich galt ihre ganze Aufmerksamkeit ihm.
Er führte sie ins Zimmer, und als sie zu der kleinen Sitzecke hinübergegangen war, wo zwei Stühle um einen billigen Vinyltisch standen, sagte sie: »Ich habe mit Phil gesprochen.«
Eddie ging zum Bett und setzte sich auf die Kante. »Hat er dir erzählt, was ihm passiert ist?«
Nora sah sich im Zimmer um. Als ihr Blick dem von Eddie begegnete, starrte dieser sie an, wartete auf eine Antwort. »Er hat gesagt, das Boot ist gesunken.«
»Hat er gesagt, wo er war?«
»Irgendwo weiter nördlich, hat sich angehört, als wüsste er es nicht genau. Ich glaube, er hat’s gerade noch bis zur Küste geschafft, nachdem er die Drogen abgeholt hatte.«
»Also hat er die Drogen?«
»In gewisser Weise schon.«
»In welcher Weise?«
»Sie stecken in einem Mädchen.«
» In ihr?«
»Das hat er jedenfalls gesagt.«
»Das ist nicht das, was ich mit Hunt besprochen habe, überhaupt nicht.«
»Nein, kann ich mir vorstellen. Du hast dich bestimmt auch nicht in diesem Motel hocken sehen, oder?« Nora versuchte zu lachen, doch es kam halb erstickt heraus und erstarb.
»Hat er dir gesagt, wo du ihn finden kannst?«
»Nein. Ich hab ihm diese Adresse hier gegeben. Er hat gesagt, er kommt zu uns.«
»Gut«, brummte Eddie. »Ich hoffe, er hat die Drogen dabei. Das könnte das Einzige sein, was uns rettet.«
»Was, glaubst du, ist da oben passiert?« Nora hatte die Hände auf die Oberschenkel gelegt, und als sie das fragte, konnte Eddie die Beklommenheit in ihren Augen sehen. Er schaute weg.
»Ich weiß nicht, was da oben los war.«
»Irgendetwas ist schiefgegangen, stimmt’s?«
»Irgendetwas ist schiefgegangen.«
»Das ist abartig, weißt du das?«
»So ist das nun mal, Nora.«
»Ich verstehe das nicht mehr.«
»Es ist genauso, wie es immer war. Die Menschen brauchen ein Produkt. Wir holen es vom Produzenten und bringen es zum Verkäufer. So einfach ist das. Das wird nicht aufhören, nur weil die Regierung sagt, dass es aufhören wird. Wir sind froh, wenn die mitmischen – das treibt den Preis in die Höhe. Wir können das Zeug für jede Summe verkaufen, die wir wollen, und die Leute werden es kaufen, weil sie nicht anders können.«
»Aber ein junges
Weitere Kostenlose Bücher