Schreckensbleich
gehören schien, die diesem hier vorausgegangen waren. Als er aus dem Gefängnis gekommen war, hatte er Büros geputzt, hatte Papierkörbe geleert, wenn alle weg waren. Er hatte als Küchengehilfe gearbeitet und eine Weile sogar Kühlschränke verkauft. Er hatte ein gutes Gesicht, hager, mit tiefen Furchen, die sich abwärts zogen und seinen Mund umrahmten; es war ein vertrauenswürdiges Gesicht, ein Gesicht, das mehr ausdrücke, als es jemals würde laut sagen können. Die Leute kauften diesem Gesicht Kühlschränke ab, gingen nach Hause, lebten mit dem, was sie gekauft hatten, freuten sich daran. Der Job war anständig gewesen. Es hatte nur eine kleine Chance bestanden, dass er draufgehen würde, dass ein Kühlschrank umfallen und seinem Leben ein Ende machen würde. Jetzt, als er im Auto saß, die Fenster geschlossen und bei warmer Motorluft, die aus der Heizung quoll, fühlte er sich unsicher. Irgendetwas war irgendwo schiefgegangen. Ungeachtet all seiner Bemühungen, ein gutes Leben zu führen, seiner Ehefrau zur Seite zu stehen und sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, hatte er versagt. Was hatte ihm das Wettgeschäft und das Schmuggeln eingebracht? Was war an einem anständigen Job verkehrt gewesen? Jobs, für die er so viel bekam, wie er brauchte, nicht mehr und nicht weniger. Doch er hatte das Gefühl nie gemocht, anderen Rechenschaft schuldig zu sein, als wäre er wieder im Knast, als würde er überwacht, als wäre er nicht sein eigener Herr. Er wollte, dass sein Handeln etwas galt. Was, das wusste er noch nicht, doch er dachte, wenn er sich nur diese Drogen vom Hals schaffen, wenn er sich Grady vom Hals schaffen konnte, dann könnte er es vielleicht versuchen.
Die Ampel sprang um, und er fuhr weiter. Er wusste, dass das Leben nicht so simpel war wie einfach einen Job gern zu machen, Geld zu verdienen. Darauf lief es nicht hinaus. Hunt hatte seinen Weg gewählt, hatte von Anfang an gewusst, wie es sein würde. Für Geld konnte man nicht alles kaufen, damit konnte er weder seine noch Noras Sicherheit erkaufen, konnte Eddie und die Pferde nicht beschützen. Das hatte er jetzt eingesehen, hatte es am Handy gehört, als Grady hinrichtete, was er liebte, eins nach dem anderen. Es gab nichts, was er hätte tun können, und das verarbeitete er, arbeitete sich hindurch, so gut er konnte, fuhr einfach weiter, bewegte sich voran, hoffte, dass sich alles zum Besseren wenden würde, so, wie er immer gehofft hatte.
Hunt fuhr weiter, spähte in Seitenstraßen, suchte nach einem Ausweg. Er befand sich auf einer Insel. Es gab eine Fähre, und er hielt neben dem Fährkiosk, drückte den linken Fuß gegen die Tür und bezahlte. Auf dem Anleger wartete er auf die Fähre, stieg jedoch nicht aus. Sein Hosenbein war halb abgeschnitten, seine Wade verbunden. Unwillkürlich schaute er nach unten und sah einen roten Fleck, wo das Blut durchgekommen war. Er spürte die Luft aus dem Lüfter auf seinem bloßen Schenkel. Ein Mann in einer orangeroten Weste dirigierte die anderen Autos in Reihen. Die Leute stiegen aus und warteten auf die Fähre. Sie reckten sich, dann blickten sie zu Hunt in den Wagen. Er saß einfach nur da. Irgendetwas war seltsam an ihm, ein Mann ohne Buch in seinem Wagen, der einfach nur dasaß und geradeaus starrte.
Hunt ließ das Fenster herunter. Wieder roch er das Meer. Die Rufe der Möwen, eine landete zwischen den Autoreihen, die gelben Füße tanzten auf dem Asphalt. Wie sie da hinter Abfällen herstelzten, sahen sie aus wie kleine Dinosaurier. Sie rollten die Augen und ihre Schnäbel schwenkten von einer Seite zur anderen, als sie im Wechselschritt zwischen den parkenden Autos hindurchstaksten. Dieses spezifische Streben konnte er verstehen, diese Notwendigkeit, dem nachzustellen, was er am meisten begehrte. Für ihn war das jetzt Sicherheit. Entkommen und nicht zurückschauen.
Er dachte an Thu. Hoffentlich war sie okay. Auf dem Boden des Wagens hatte er ihre Tasche gefunden, sie lag einfach da. Er wusste nicht, was er damit machen sollte, außer sie wieder unter den Sitz zu schieben. Etwas war verdächtig an einem Mann, der mit einer Damenhandtasche allein im Auto saß. Er angelte die geschlossene Notfalltasche vom Rücksitz. Durch den orangeroten Stoff konnte er die Umrisse der kleinen Kugeln sehen. Der Gedanke, die Tasche mit irgendetwas zu bedecken, war ihm noch gar nicht gekommen – die Pistole darin, die Tasche dünn genug, dass sich die Form der Waffe dort abzeichnete, wo sie den
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