Schreckensbleich
Sterben, und er wusste, dass es nichts mehr gab, was er für sie tun konnte, außer sie ins Krankenhaus zu fahren und zu hoffen, dass alles gut ausging.
Der Wagen hatte ein Automatikgetriebe, was bedeutete, dass er mit einem Bein fahren konnte. Das verletzte Bein ließ er daneben ruhen. Von seinem Schoß aus starrten die Browning und das Heroin aus dem offenen Maul der Notfalltasche zu ihm herauf. Mit einer Hand hob er die Tasche vors Gesicht und zog den Reißverschluss mit den Zähnen zu. Der Geruch ließ ihn würgen. Er schaute im Rückspiegel auf die Straße hinter ihm, dann schmiss er die Tasche auf den Rücksitz.
Thus Augen waren geschlossen, und als er zu ihr hinübersah, konnte er einen dünnen Speichelfaden erkennen, der sich auf ihren Lippen sammelte, sich dann löste und über das Kinn herablief. »Wach auf!«, brüllte er. Er hielt das Lenkrad mit einer Hand und schüttelte sie mit der anderen, bis ihre Augen sich öffneten und sie mit schläfrigem Blick zu ihm herübersah.
Hunt wurde nicht langsamer, als er das Stoppschild erreichte. Er rauschte auf der Straße aus festgestampftem Schotter glatt durch, den Tacho bei achtzig. Er konnte das Klirren loser Steinchen hören, die im Reifenprofil hängenblieben und in die Radkästen geschleudert wurden.
Als sie in den Ort hineinkamen, riss er sich zusammen und wurde langsamer. Thu war wieder weggenickt; er streckte die Hand aus, bis er ihr Kinn zu fassen bekam, schüttelte ihr Gesicht und beobachtete ihre Augen. Sie wollten sich nicht öffnen. Er fuhr über die Hauptkreuzung und fand die Blanchard Road. Eine Hand am Lenkrad, schlug er ihr ein paar Mal mit der flachen Hand ins Gesicht. Ihr Kopf flog zur Seite und rollte dann zurück, doch ihre Augen öffneten sich nicht, und er fluchte vor sich hin und hielt nach dem Krankenhausschild Ausschau.
Als er die Notaufnahme fand, fuhr er direkt vor den Eingang, stieg aus und schrie um Hilfe. Das Krankenhaus war dreistöckig, von Kiefern umgeben, und hatte höchstens dreißig Parkplätze. Die Schiebetüren aus Glas waren das einzige Anzeichen dafür, dass es überhaupt die moderne Welt erblickt hatte, und er hoffte, dass sie hier etwas tun, irgendwie helfen konnten. Als ein Pfleger durch die Glastür kam, war er schon um den Wagen herumgeeilt und hatte Thus Tür aufgerissen.
»Helfen Sie mir!«, brüllte Hunt.
Er hatte Thu unter den Armen gepackt, und er konnte fühlen, wie die Stiche in seinem Bein spannten und der Schmerz ihn durchfuhr. Jetzt schleifte er sie mit, weg von der offenen Autotür und die leichte Steigung zum Eingang des Krankenhauses hinauf. Der Pfleger war da und versuchte zu helfen, aber Hunt ließ nicht los, und der Pfleger sagte: »Geben Sie her, Sir, geben Sie sie mir.« Und als er sah, dass Hunt das nicht tun würde, ging er hinein, schnappte sich einen Rollstuhl gleich hinter der Tür, und zusammen verfrachteten sie Thu hinein.
Wieder überkam Hunt dieses Gefühl, wie gestern Nacht. Blutverlust, der feucht werdende Verband an seinem Bein. Hastig ließ er den Kopf nach unten hängen und behielt ihn zwischen den Beinen.
Er schloss die Augen. Thu war jetzt irgendwo da drinnen. Als er den Kopf hob, sah er nur noch verschwommen, doch er konnte Thu auf der Station erkennen, und die Gestalt eines Arztes, der sich über sie beugte. Er beobachtete das alles, und dann kamen sie auf ihn zu, und er taumelte in seine eigene Wirklichkeit zurück, zu seinen eigenen Notwendigkeiten, und rannte um den Kühler herum. Beide Türen noch immer sperrangelweit offen, ließ er sich auf den Fahrersitz fallen, trat aufs Gaspedal und hätte fast sein verletztes Bein vergessen und hinter dem Wagen herschleifen lassen. Mit offenen Türen und röhrendem Motor holperte er auf die Straße hinaus. Als er den Wagen abfing und abermals aufs Gas trat, klappte der Ruck die Türen wieder gegen die Karosserie. Sein Blick konnte die Dinge wieder klar erfassen. Er schaute nach hinten, die Straße hinunter. Überall Kiefern um ihn herum, die kleine Auffahrt, die zum Krankenhaus hinaufführte, doch das war alles, keine bewaffneten Verfolger, keine Hetzjagd, nur er im Auto unterwegs und bemüht, auf der Straße zu bleiben.
Teil IV
Geständnisse
G rady stellte den Wagen des Tankwarts auf einem der oberen Parklätze ab. Unter sich konnte er den Jachthafen sehen, wo er sein Auto zurückgelassen hatte. Keine Polizeiwagen. Nichts. Langsam ließ er den Blick über den Parkplatz schweifen, hielt Ausschau nach irgendjemandem, der
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