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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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und wir haben auch keinen anderen Namen als Ihren.« Der Boss winkte dem Fahrer, von der Couch aufzustehen. Etliche der Kätzchen, mit denen er gespielt hatte, folgten ihm und rieben sich schnurrend an seinem Bein, als die beiden Männern nebeneinanderstanden. Der Boss griff in die Baumarkt-Tüte, holte die Gartenschere hervor und reichte sie dem Fahrer. Dieser schien zu wissen, was er zu tun hatte, und er ging zu dem Mann mit dem seltsamen Lächeln, bog seinen kleinen Finger gerade und zog ihn von den anderen weg.
    »Das hier ist sehr einfach«, sagte der Boss. »Dieser Finger hat drei Glieder. Jedes Mal, wenn Sie mir nicht die richtige Antwort geben, verlieren Sie eins. Verstehen Sie?«
    Der Mann auf dem Stuhl wandte den Blick nicht von seinem kleinen Finger.
    »Hey«, knurrte der Fahrer. »Verstehen Sie das?«
    Ein halbes Kopfnicken.
    »Was ist mit dem Heroin passiert?«
    »Ich habe es dem Mann auf dem anderen Boot gegeben.«
    »Wo ist dieser Mann jetzt?«
    »Woher soll ich das wissen? Er hätte die Kleine zu Ihnen bringen sollen.«
    Niemand sagte etwas, und der Fahrer durchtrennte das erste Fingerglied des Mannes. Das Stück fiel zu Boden, während der Mann schrie. Die Kätzchen, die neben den Füßen des Fahrers gehockt hatten, machten sich über das abgetrennte Fingerstück her und fingen an, damit zu spielen.
    Blut quoll ungehindert aus dem Fingerstumpf und bildete eine Pfütze auf dem Boden, erst ein Tropfen, dann der nächste. Der Mann, der eben noch geschrien hatte, presste die Kiefer zusammen und hielt etwas zurück, das in ihm zu kochen schien.
    »Wo ist dieser Mann jetzt?«
    »Er war schon älter, hellbraune Haare, vielleicht einsachtzig, er hatte … Scheiße … ich weiß nicht, was er anhatte. Ihr seid ja total scheißirre.«
    Der Fahrer setzte den nächsten Schnitt, und einen Augenblick lang war nur das Geräusch des zu Boden fallenden zweiten Fingerglieds zu hören, dann der Schrei und das auf den Boden tropfende Blut.
    Als der Mann auf seinen kleinen Finger hinabblickte, sah er zuerst den roten Stumpf, dann weiter unten die Kätzchen an seinem Stuhl und das herabrinnende Blut. Eines der Kätzchen hatte aufgeschaut und stand jetzt auf den Hinterbeinen, die Vorderpfoten gegen das vordere Stuhlbein gestützt, und es leckte die Blutstropfen auf, die von dem herabfielen, was von dem Finger übrig war.
    »Wo ist das Heroin?«, fragte der Boss wieder.
    »Ihr könnt mich mal, alle beide.« Der Mann weinte wieder und wollte nicht aufblicken. Der Speichel tropfte ihm aus dem Mund und lief in einem langen Faden über seinen Schenkel, von wo aus er auf die Sitzfläche des Stuhls rann.
    Als die beiden Männer gingen, saß er immer noch da. Der Fahrer konnte das Pochen in seiner Brust sehen und die Haltung des Besiegten, mit der er auf dem Stuhl saß; er versuchte nicht länger, sich von den Metallbändern zu befreien, sondern ergab sich ihnen. Noch immer war er gefesselt, noch immer nackt. Die Blutpfütze war zu einer Lache angewachsen, und die Kätzchen saßen da und leckten und maunzten sich gegenseitig etwas zu. Als der Fahrer die Tür schloss, war das Letzte, was er sah, das Katzenjunge, das aufrecht neben dem Stuhl gestanden hatte. Das ganze Gesicht voller Blut, kletterte es am Bein des gefesselten Mannes hinauf und benutzte seine neu entdeckten Krallen, um sie ins Fleisch des Mannes zu graben und sich hochzuziehen.
    ***
    Hunt fuhr vom Krankenhaus weg. Vorhin war er durch den Ort gejagt, hatte nicht einmal Zeit gehabt, sich gründlich umzusehen. Jetzt jedoch sah er sich um. Beobachtete die Straßen, überzeugt, dass sich jeden Moment ein Polizeiwagen an seine Fersen heften würde, dass irgendjemand ihn gemeldet hatte. Jemand im Krankenhaus. Vielleicht sogar Nancy und Roy.
    Die Kleinstadt war genau das, was er erwartet hatte, Häuser, die alle mehr oder weniger gleich aussahen. In der Stadtmitte hielt er an einer Ampel und sah Menschen, die ihn anstarrten. Auf der anderen Straßenseite war eine Apotheke. Daneben ein Diner, dann eine Bank und ein Postamt. Er saß in dem kleinen Kombi und sagte sich, dass die Leute das Auto kannten. Vielleicht kannten sie sogar Roy und Nancy. Er lächelte und winkte den Leuten zu. Ein Vater mit zwei Kindern winkte zurück, doch die Kinder starrten ihn bloß an.
    Wie war er hierhergekommen? Das hatte Hunt sich immer öfter gefragt. Er wusste keine Antwort darauf. Als er zu der Ampel hinaufblickte, fühlte er ein seltsames Innehalten, eine Pause, die nicht zu den Tagen zu

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