Schreckensbleich
Mädchen?«
»Was soll ich dir sagen?«
»Du hast vorher nichts davon gewusst?«
»Überhaupt nichts.«
Nora sah zum Fenster, das Rollo war heruntergezogen, doch sie konnte die Umrisse der Dinge dahinter erkennen. »Ich habe ihm gesagt, er soll da abhauen, wenn es schlimm wird. Ich habe ihm gesagt, er soll nach Hause kommen. Jetzt bin ich gar nicht mehr dort, und ich weiß nicht, wo er ist.«
»Wir müssen bloß noch ein bisschen warten. Phil ist ein schlauer Bursche. Er kommt her, und dann siehst du schon, was Sache ist.«
***
Der Mann saß nackt in einem Lehnstuhl, der aus seinem eigenen Esszimmer geholt worden war. Es war nicht das, was dem Fahrer am überraschendsten vorkam, sondern das Blut, das von seinen Knöcheln und Handgelenken herabrann. Der Mann mit den Eisenwaren zog die Schlauchklemmen um die nackten Glieder des Mannes auf dem Stuhl fest, bis die Haut unter den schmalen Metallbändern einriss.
Sowohl der Fahrer als auch sein Boss traten zurück und sahen zu, wie der Mann wie wild gegen den Stuhl und das Metall ankämpfte, das ihn festhielt. Seine Arme wurden allmählich glitschig vom Blut, und schließlich hörte er auf, und es war an der Zeit, dass sie anfingen, ihm Fragen zu stellen.
Ein Wurf Katzenjunge war vor Kurzem in diesem Haus zur Welt gekommen, und ihre Mutter saß in einer Kiste auf dem warmen Wohnzimmerboden. Der Fahrer hatte die Rollos heruntergezogen, und im Haus herrschte der blecherne Geruch vom Metallwaren und Blut, verstärkt durch Körperwärme, außerdem der stickige Geruch von Haut, den die herabgezogenen Rollos nur noch stickiger machten.
Während der Mann die Fragen beantwortete, saß der Fahrer auf der Couch und spielte mit den Kätzchen. Sie waren hell wie ihre Mutter, aber ein paar hatten schwarze Flecken, und als sie auf seinem Schoß herumkletterten, konnte er spüren, dass ihre Krallen zum Vorschein gekommen waren. Noch waren sie nicht auf die Schreie des Mannes eingestimmt, oder auf seine gepresste Stimme. Das Leben in diesem Haus hatte sie diese Dinge noch nicht gelehrt, allerdings fragte sich der Fahrer, ob sie wohl jemals Bekanntschaft mit so etwas machen würden.
Der Boss des Fahrers war beim Verhör an der Stelle angelangt, wo Thu am Boot angekommen war und die beiden Männer mit ihr hinausgefahren waren. Der Mann auf dem Stuhl hatte geantwortet, so gut er konnte, doch hin und wieder hatte der Boss des Fahrers die Metallbänder um seine Knöchel und Handgelenke noch fester angezogen.
»Wir haben einen ganzen Tag auf das Mädchen gewartet«, sagte der Boss des Fahrers. »Es ist kein beruhigendes Gefühl, dieses Warten. Von Anfang an unsere Zeit in etwas zu investieren und dann das Gefühl zu haben, dass die ganze Operation von äußeren Einflüssen gestört worden ist, über die man keine Kontrolle hat. Verstehen Sie, was ich meine?«
Der Mann erschauerte; ein dünner Speichelfaden zog sich von der Lippe hinunter und fiel auf seinen Oberschenkel. »Ich weiß nicht, was Sie von mir hören wollen. Ich hab getan, was man mir gesagt hat.«
»Das haben wir auch erwartet, aber in Abwesenheit des Anwalts sind wir zu Ihnen gekommen, weil Sie als derjenige identifiziert worden sind, der das Mädchen am Flughafen abgeholt hat. Verstehen Sie jetzt, warum wir zu Ihnen gekommen sind?«
»Ich hab das Scheißheroin nicht geklaut«, stieß der Mann hervor. Er weinte fast, und der Mann, der ihn verhörte, schlug ihm hart ins Gesicht und ließ das Brennen ins Fleisch sinken, ehe er abermals das Wort ergriff.
»Sie sind als derjenige identifiziert worden, der das Heroin als Letzter gesehen hat. Ich glaube nicht, dass wir uns noch klarer ausdrücken können.«
Der Mann auf dem Stuhl sagte nichts.
»Deshalb sind Sie verantwortlich. Bis der Anwalt uns etwas anderes sagt, haben wir außer dieser Tatsache nichts, woran wir uns halten können.«
Der Mann wollte noch immer nicht sprechen.
»Uns fehlt Heroin im Wert von neunzigtausend Dollar, fast eine Viertelmillion, wenn man das andere Mädchen mitzählt, obwohl wir wissen, dass das mit ihr nicht Ihre Schuld ist. Und ich erwähne sie auch nur, um Ihnen unsere offenkundige Erregung zu verdeutlichen. Ich versuche nur, aufrichtig zu Ihnen zu sein, so, wie Sie hoffentlich aufrichtig zu uns sein können.«
Jetzt kamen die Tränen, und dann noch ein Speichelfaden, rosa getönt von dem Blut aus seinem aufgeplatzten Mund. »Ich hab das Heroin nicht geklaut.«
»Ja, das sagen Sie immer wieder, aber noch einmal, wir haben es nicht,
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