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Schreckensbleich

Schreckensbleich

Titel: Schreckensbleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urban Waite
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heruntergebracht, hatte sie auf Hunt gerichtet. Der trat zur Seite und griff nach der Waffe. Der Donnerschlag des Gewehrs. Hunt hatte nicht gewollt, dass die Flinte losging, Hirschschrot aus nächster Nähe.
    All das erzählte er dem Pferd; die große Stute zupfte Gras, riss es mit einer Seitwärtsbewegung aus dem Boden. Das nasse, matschige Geräusch der Lunge des Alten, alte Dudelsäcke, das Blut auf seinen Lippen. Ein Auge des alten Mannes war zerschossen, und Blut rann daraus hervor, wie Tränenspuren auf seinem Gesicht. Hunt konnte sich nicht bewegen, seine Ohren dröhnten, die Wucht der Schrotflinte bebte noch immer in seinen Muskeln nach. Der Mann hingestreckt dort auf dem Boden seines Ladens. Hunt hätte abhauen, hätte sich verdammt noch mal vom Acker machen sollen.
    Er schauderte, die Hand in den Mähnenkamm des Appaloosa gehakt. Genau wie die beiden, die er in den Bergen verloren hatte, hatte er diese Stute selbst aufgezogen, in seinem eigenen Paddock, hatte sie gefüttert, ihr Liebe und Zeit gewidmet, damit sie zu dem Pferd wurde, das sie jetzt war. Er streichelte ihre Mähne, seine Finger wühlten sich tief unter das Langhaar. »Es tut mir leid«, sagte er, das Gesicht gegen ihren Hals gedrückt, und die Worte erstickten in ihrer Haut. Er wusste nicht, was jetzt passieren würde. Er wusste nicht, was mit ihnen allen passieren würde.
    ***
    Das Mädchen aus dem Kaffeeschuppen rief am Nachmittag an. Drake konnte das dumpfe Geräusch der Espressomaschine hören, das Streifen ihrer Wange und ihres Haares am Hörer. Er stellte sie sich vor, dort in dem kleinen Kiosk, das rund um das Motel gespannte Absperrband, wie sich das Ganze im Wind bewegte, Johannisbeerbüsche und Weiden, gelbes Plastikband. Nachdem sie sich einander vorgestellt hatten, fragte er nach gestern Abend.
    »Eins war komisch«, sagte sie. »Da hat ein Mann hier auf dem Parkplatz geparkt und in seinem Auto gesessen. Er hat lange da drin gesessen.«
    »Wie lange hat er da gesessen?«
    »Fast eine halbe Stunde, es war schon später als sonst, wenn ich normalerweise zumache.«
    »Hat er Kaffee gekauft?«
    »Deswegen habe ich ja nicht zugemacht. Ich dachte, vielleicht ist das einer von den Freunden von der Frau, der der Laden gehört, und er ist vorbeigekommen, um mich zu überprüfen. Als er rübergekommen ist, war es schon fast dunkel.«
    »Hast du ihn gefragt, was er die ganze Zeit gemacht hat?«
    »Nein. Ich hab mich dabei nicht wohl gefühlt.«
    »Warum?«
    Das Mädchen sagte nichts.
    »Wolltest du es nicht wissen?«
    »Es hat ausgesehen, als ob er sich einen runterholt«, sagte sie nach einer Weile. »Ich hatte Schiss.«
    »Im Auto?«
    »Ja, ’ne halbe Stunde lang.«
    »Hat er was zu dir gesagt, als er ans Fenster gekommen ist?«
    »Er wollte darüber reden, wann es dunkel wird.«
    »Und was hast du ihm gesagt?«
    »Ich hab gesagt, es wär doch schon dunkel. Aber er wollte wissen, ob es so richtig stockfinster wird.«
    »Was hat er für einen Eindruck auf dich gemacht?«
    »Ich hab mich ganz komisch gefühlt, der schien irgendwie nicht ganz richtig zu sein. Sehr blasse Haut, so gereizt um die Augen herum. Dicht am Haaransatz hatte er etwas, das ausgesehen hat wie ein blauer Fleck.«
    Das klang nicht im Mindesten nach Hunt. »War er ein bisschen ungehobelt?«
    »Eigentlich war er ganz nett. Hat mir einen Rat gegeben.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt, ich soll mich in der Stadt gut vorsehen. Er hat gesagt, das wär was ganz anderes als dieser Kaffeeladen hier.«
    »Also, ich weiß ja nicht, wieso du da nicht sofort den Sheriff angerufen hast«, versuchte Drake es mit einem Witz.
    Das Mädchen lachte, doch er merkte, dass sie bloß höflich sein wollte. »Um die Wahrheit zu sagen, er hat mir ein bisschen Angst gemacht. Ich habe immer noch ein bisschen Schiss. Bin einfach nervös.«
    »Ich weiß nicht, ob das der Kerl ist, den wir suchen. Ich bezweifle es. Du solltest dir keine Sorgen machen, es gibt keinen Grund, warum er zurückkommen sollte.«
    »Ich weiß nicht«, wandte das Mädchen ein. »Sein Auto steht doch noch auf dem Parkplatz. Ich weiß nicht, wieso er nicht wiederkommen sollte, um es zu holen.«
    Drake hatte den Wagen des Auftragskillers ganz vergessen. Hatte überhaupt nicht daran gedacht. Jetzt wusste er es. Vier Fahrzeuge waren zum Motel gekommen, aber nur zwei waren wieder weggefahren. Er hatte gedacht, Hunt hätte sich den Lincoln geschnappt, nachdem er den Kombi stehen gelassen hatte. Und der Killer wäre wieder in

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