Schreckensbleich
ihrem Bauch ausbreitete, und eine Millisekunde später ruckte ihre Schulter nach hinten, und dann ihr Kopf. Sie schlug auf dem Kies auf. Wahrscheinlich hatte sie diesen Kies selbst hier verteilt, hatte ihn geharkt und gleichmäßig ausgebreitet, ihn geglättet, ihn sauber gehalten, dafür gesorgt, dass er immer einladend aussah, immer professionell. Niemals hatte die Frau sich vorgestellt, dass sie tot darauf ausgestreckt daliegen würde. Das wusste Nora, so sicher, wie sie ihre eigene Lage erkannte.
Jetzt hatte irgendetwas sie ins Bewusstsein zurückgeholt; irgendetwas hatte sie geweckt. Nichts war zu hören, außer dem Prasseln des Regens auf der Metallklappe über ihr. Irgendwo tief im Innern des Lincoln hörte sie das Geräusch von sich sammelndem Wasser, das durch die Innereien des Wagens rieselte. Dann öffnete sich halb erwartungsvoll die Tür auf der Fahrerseite, und sie spürte, wie die Federung entlastet wurde und die Tür wieder zuschwang. Sie schloss die Augen. Nichts änderte sich, dieselbe schwarze Finsternis, dieselbe eingesperrte, ausgesperrte Einsamkeit.
***
»Ist er das?«
»Ja«, sagte der Fahrer. »Das ist er.«
Die beiden kauerten geduckt in dem Lexus und warteten ab, was als Nächstes passieren würde.
»Was macht er jetzt?«
»Er sitzt einfach nur da.«
Der Mann auf dem Beifahrersitz richtete sich auf und betrachtete den Lincoln. Gradys Rückfahrscheinwerfer gingen an, ein trübes Grau im fallenden Regen. Der Mann in dem Lexus duckte sich, und als er wieder hinsah, war Grady mit seinem Koffer ausgestiegen und ging zum Heck des Wagens.
»Was macht er denn jetzt?«, wollte der Fahrer wissen.
»Sieht aus, als ob er irgendwas aus dem Kofferraum holt.«
Der Fahrer reckte den Kopf übers Lenkrad und sah zu Grady hinüber. »Ist das unser Mädchen?«
»Bei diesem Scheißregen sieht man überhaupt nichts.«
»Na, wer soll’s denn sonst sein?«
»Willst du abwarten, ob er liefert?«
»Ich will unser Heroin holen.«
»Na schön, also, wie willst du vorgehen?«
***
»Sie sagen, er hat den Wagen gestohlen?« Driscoll saß auf dem Sofa, Drake stand am Fenster und blickte auf die verkohlten Ränder des Metallfasses im Garten hinaus. Roy und Nancy hatten zwei Stühle aus der Küche ins Wohnzimmer geholt. Sie sahen Driscoll unverwandt an. »Aber Sie haben ihn nicht als gestohlen gemeldet.«
»Wollten wir noch machen.«
Driscoll bedachte sie mit einem zweifelnden Blick, dann schrieb er etwas in sein Notizbuch.
Thus Handtasche stand auf dem Couchtisch zwischen ihnen, der Inhalt war in separate Beweismittel-Plastiktüten verpackt.
Nancy nahm das Foto von Thu mit ihren Söhnen und starrte es lange an, dann legte sie es wieder auf den Tisch.
»Wofür benutzen Sie die Tonne?«, erkundigte sich Drake.
Roy sah zu ihm hinüber. »Um Papier zu verbrennen und so was«, antwortete er.
»Sachen, die sonst niemand sehen soll«, meinte Drake.
»Ich weiß nicht, ob ich’s so ausdrücken würde«, entgegnete Roy.
Driscoll wartete, bis die beiden verstummten. »Sie wissen, dass Ihr Wagen in einen Doppelmord verwickelt war.«
»Das haben Sie gesagt«, erwiderte Roy.
Nancy, die auf ihre Hände geblickt hatte, fragte: »Haben Sie ein Foto von dem Mann, den Sie suchen?«
Driscoll reichte ihr das Bild von Phil Hunt.
»Sind Sie sicher, dass er das ist?«
»Das ist vor ungefähr dreißig Jahren aufgenommen worden. Er hat einen Ladenbesitzer erschossen, mit seiner eigenen Schrotflinte. Das war der einzige Grund, weshalb auf bedingte Tötungsabsicht plädiert wurde und nicht auf vorsätzlichen Mord.«
»Schien auch keinen besonderen Plan gehabt zu haben, als er hier aufgekreuzt ist«, brummte Roy.
Driscoll wandte sich um und sah Roy an. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich das Bild anzusehen?«
Nancy reichte ihrem Mann das Foto. »Ist das der Typ?«, fragte Roy.
»Das war das erste Mal, dass Sie ihm begegnet sind?«
»Natürlich. Wieso soll ich denn so jemanden kennen?«
Driscoll zog einen zweiten Papierpacken hervor. Ganz oben war ein Foto von Roy. »Sie und Phil Hunt waren zusammen in Monroe. Damit könnten wir anfangen.«
»Monroe ist groß«, meinte Roy.
»Jetzt kommen Sie schon«, fuhr Drake dazwischen.
»Ich kenne ihn nicht«, beharrte Roy.
»Immer mit der Ruhe«, beschwichtigte Driscoll. »Sagen wir mal fürs Erste, Sie kennen ihn nicht. Wenn wir rausfinden, dass das nicht stimmt, könnten Sie jede Menge Ärger kriegen. Verstehen Sie, Roy?«
»Ja.«
»Was ist mit den Drogen
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