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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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Seite. »Wenn der Name Ihres Mandanten bekannt wird, ehe wir ihn offiziell herausgeben, weiß ich, wo die Quelle zu finden ist. Verstanden?«
    »Ich?«, sagte Oliver mit weit aufgerissenen Augen. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    Jetzt, wo Will die Vernehmung wieder selbst in die Hand nahm, wirkte Simon Pierce etwas nervös; die Vorderseite seines Pullovers hatte einen Flecken abbekommen. Ketchup?
    »Können Sie sich vorstellen, wie es wäre«, sagte Will und sprach schon, bevor er sich ganz hingesetzt hatte, »wenn wir zuließen, dass Ihr Name und der Grund Ihrer Festnahme außerhalb dieser vier Wände bekannt würden? Ein Kleidungsstück des vermissten Mädchens wurde auf Ihrem Grundstück gefunden, sozusagen am Ende der Welt. Sie wissen, wie Menschen sind, Sie haben das im Fernsehen gesehen, die Empörung und die Wut. Sie könnten von Glück sagen, wenn Sie in einem Stück hier herauskämen.«
    Pierce hatte die Augen fest geschlossen.
    »Drohungen, Detective Inspector?«, sagte Oliver. »Einschüchterung?«
    »Ich möchte nur, dass Ihr Mandant den Tatsachen ins Auge sieht.«
    »Das ist meine Aufgabe, denke ich.«
    »Dann erfüllen Sie sie. Solange noch Zeit ist.«
    Oliver seufzte. »Vielleicht könnten mein Mandant und ich fünf Minuten bekommen, um uns zu beraten?«
    »Sie hatten gerade vierzig Minuten Pause, Himmelherrgott noch mal!«
    »Dann machen doch fünf mehr auch nichts mehr aus?«
    »Aber nutzen Sie sie klug.« Will schob seinen Stuhl zurück.
    Draußen liefen sie bis zum Ende des Korridors, dann hinunter zum unteren Treppenabsatz, wo sie auf den Verkehr hinaussahen, der auf der Parkside dahinkroch und in Richtung Newmarket Road abbog. Auf der offenen Grünfläche gegenüber hatten die Bäume inzwischen fast alle Blätter abgeworfen.
    »Glauben Sie, er macht reinen Tisch?«, fragte Straley.
    »Es ist jedenfalls an der Zeit.«
    Als sie ins Zimmer zurückgekehrt waren, heftete Pierce seinen Blick fest auf den Boden, und es war Matthew Oliver, der zuerst sprach.
    »Mein Mandant bedauert sehr, dass er sich aufgrund der psychischen Verfassung, in der er sich als Folge des Verschwindens der Tochter seiner früheren Partnerin befindet, nicht in der Lage sah, Ihnen all die Tatsachen zu liefern, die Sie benötigen. Sobald Ihnen diese bekannt sind und die Situation geklärt ist, hofft er, diese unglückliche Episode hinter sich lassen zu können, damit Sie und Ihre Kollegen Ihre Aufmerksamkeit ungeteilt dahin lenken können, wo sie am dringendsten benötigt wird, nämlich auf die Suche nach dem armen vermissten Mädchen.«
    Oliver lehnte sich zurück, und Will fragte sich, ob der Anwalt Applaus erwartete. »Hübsche Rede, Matthew. Und fast ganz ohne Notizen. Können wir jetzt zur Sache kommen?«
    Pierce begann zu reden, ohne aufzusehen. »Es war ein Samstag. Vormittags. Beatrice war mit ihrer Freundin Sasha und Sashas Mutter in Ely. Ich glaube, so heißt sie. Sasha. Sie haben Einkäufe gemacht, dieses und jenes auf dem Markt gekauft, dann sind sie in die Buchhandlung gegangen und danach in das Café an der Kathedrale. Dort haben sie draußen gesessen. Es war ein schöner Tag.«
    Jetzt sah er auf Will oder vielmehr auf eine Stelle zwischen Will und Jim Straley; seine Stimme war leise, zurückhaltend,als würde er etwas erzählen, das jemand anderem passiert war.
    »Sie blieben eine ganze Weile dort. Die Mädchen tranken heiße Schokolade mit viel Schlagsahne. Und es war ein Hund da, jemand am Nebentisch hatte einen Hund. Einen albernen kleinen Hund, der dort angebunden war und kläffte, und der gefiel ihnen. Beiden Mädchen gefiel er. Sie tätschelten und streichelten ihn und lachten, als er sich in seiner Leine verhedderte. Schließlich wurde es Sashas Mutter zu viel. ›Kommt‹, sagte sie. ›Wir gehen.‹ Und verschwand schnell mit ihnen.
    Und dabei hat Beatrice ihren Pulli vergessen, ihr Top oder wie immer man das nennt. Sie hatte ihn ausgezogen und über die Rücklehne ihres Stuhls gehängt. Ich habe abgewartet, ob sie zurückkommen und ihn holen würden, und als das nicht passierte, bin ich hingegangen und habe ihn mitgenommen. Ich weiß eigentlich gar nicht, warum. Vermutlich habe ich gedacht, dass ich ihn zusammen mit ein paar Worten per Post zurückschicken oder sogar selbst vorbeibringen könnte. Oder ich würde ihn Beatrice zurückgeben, wenn sie das nächste Mal mit ihrer Freundin unterwegs war. Aber ich habe es nicht getan. Ich habe nichts davon getan. Ich habe ihn behalten.«
    Jetzt sah er Will direkt

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